Beschlüsse sind Errungenschaften

Beschlüsse sind Errungenschaften

Geraten Organisationen unter Veränderungsdruck, machen sich ihre Mitglieder auf die Suche nach Lösungen. Leider ist es eher selten der Fall, dass einfache Lösungen zur Verfügung stehen. Meistens muss massiv in die Interessen von Beteiligten eingegriffen werden, die sichtbaren Probleme lassen sich offensichtlich nur mit deutlicher Anstrengung bewältigen.

In einem Veränderungsprozess, in dem widersprüchliche Interessen ausgehandelt werden müssen, sind Beschlüsse Errungenschaften.

Das gilt insbesondere, wenn es harte oder schwierige Beschlüsse sind. Sie sollten, wenn sie auf Grund von sorgfältigen Analysen getroffen sind, hartnäckig verteidigt und schnellstmöglich umgesetzt werden. Kurzfristig beobachtbare günstige Entwicklungen der Rahmenbedingungen oder überraschende kleine Erfolge verführen oft dazu, harte Beschlüsse in Frage zu stellen oder sie weniger konsequent umzusetzen, als sie ursprünglich beschlossen wurden. Sie werden langsam abgetragen, aufgeweicht, erodiert. Manche Manager offenbaren sogar eine gewisse Spieler-Mentalität. Kleine Gewinne werden beim nächsten Game sofort wieder einem hohen Risiko ausgesetzt, anstatt in eine nachhaltige Sanierung zu investieren. Die Ergebnisse einer verantwortlichen Steuerung zeigen sich aber langfristig, nicht kurzfristig. In einem Konsolidierungsprozess ist es nicht empfehlenswert, im Blick auf überraschende Schön-Wetterlagen große Kurskorrekturen vorzunehmen. Der Management- Autor Senge warnt davor, sich auf Möglichkeiten einzulassen, die die Entwicklung des Unternehmens kurzfristig besser aussehen lassen. Die Dinge verbessern sich, bevor sie sich dann wieder rapide verschlechtern. Es entsteht ein Rückkopplungseffekt, der oft genug eine größere Version des altbekannten Problems präsentiert. Daher: Beschlüsse sind Errungenschaften. Man sollte sie nicht leichtfertig aufgeben. Wie immer gibt es Ausnahmen: Wenn eine bessere Analyse ein anderes Vorgehen empfiehlt. Das wäre dann aber begründet und nicht leichtfertig.

Mut zur Unsicherheit

Ein Veränderungsprozess braucht den Mut zur Unsicherheit

Ein Change-Prozess führt Beteiligte und Betroffene an – wenn nicht über die Grenzen des bisher Vorstellbaren. Dinge, die man für unveränderbar, unaufgebbar gehalten hat, werden in Frage gestellt oder hören auf zu existieren. Oft wird hierzu ein Ausgleich, Kompensation oder Rettung in Aussicht gestellt, obwohl aktuell nicht klar ist, auf welche Wege man sich begibt, welche Rettung gemeint ist und ob sie überhaupt kommt.

Ein Veränderungsprozess öffnet für viele Beteiligte existenzielle Sinnfragen.

Aber Antworten, die überzeugen, können nicht immer gleich zur Verfügung gestellt werden. Eine der großen Herausforderungen in Change Management Prozessen besteht daher darin, Sprachlosigkeit an Punkten zu überwinden, wo es noch nichts Zuverlässiges oder Belastbares zu sagen gibt. In einem Change Prozess, der eben auch ein Konsolidierungsprozess ist, müssen tatsächlich das eine oder andere Mal Opfer gefordert werden, ohne dass eine Entschädigung oder Kompensation angeboten werden kann. Unter dem Strich wird klar: Veränderung bedeutet heute nicht nur Zukunftsfähigkeit, Erfolg, Vision oder ein „Mehr“, sondern auch Abschied, Eintritt ins Ungewisse, Verzicht, Verlust.

Die Aufgabe der Führung kann dann bedeuten: Sicherheit geben, wo Sicherheit garantierbar ist und sich zur Unsicherheit bekennen, wo zunächst keine Sicherheit herstellbar ist. Zu den verhängnisvollen Fehlern in Veränderungsprozessen gehören Versprechen, die nicht einlösbar sind und die Sprachlosigkeit in Schweigen zu zementieren. Den Mut zu haben, sich zu gegebener Unsicherheit bekennen zu können, bedeutet die Übernahme von Verantwortung, die aus der Misere führen kann.