Komplexitaet

„Komplexitaet verstehen statt reduzieren“ als eine neue Führungsaufgabe

Immer öfter überraschen alltägliche Geschäftsvorfälle mit ihrer Komplexität. Die Komplexität zeigt sich, sobald der erste Lösungsversuch weit vor dem Ziel stecken bleibt und das ursprüngliche Vorhaben zunächst andere Maßnahmen verlangt, bevor man sich wieder der Tagesordnung widmen kann. Komplexität lässt sich nicht vereinfachen – lediglich die Betrachtung des Geschäftsvorfalls oder des Gegenstandes kann vereinfacht werden. Das System selbst bleibt komplex.

Eigentlich bieten sich zwei Lösungen an:

  • Man könnte versuchen die Komplexität zu reduzieren. Das Risiko dieser Idee lautet: Es könnte etwas übersehen werden.
  • Man könnte Komplexität erweitern. Der Nachteil: Man schaufelt sich mit Details und Banalitäten den Kopf zu.

 

Komplexität muss an den richtigen Stellen reduzieren oder erweitert werden, um sie managen zu können.

Das bedeutet in der Praxis: Die Expertenebene unterhalb der Führungsebene muss Komplexitaet möglichst soweit aufarbeiten, dass der Führung zeitraubende Kenntnisnahmen erspart bleiben. Der Schlüssel im Umgang mit Komplexitaet ist jedoch nicht das Abarbeiten, sondern das Verstehen. Daher muss auch die Führung an den richtigen und ausgesuchten Stellen ihre Auseinandersetzung mit Komplexitaet leisten, indem sie Komplexitaet erweitert, statt diese zu delegieren. Aber auch diese Strategie stößt schnell an ihre Grenzen.

 

Das Dilemma der Komplexitaet erfordert einen Paradigmenwechsel beim Führen

In komplexen Vorgängen wohnen Sachzwänge, deren Aufarbeitung oft einen deutlich kleineren Entscheidungsspielraum zulässt, als die Führung eines Systems es sich wünschen würde. Konflikte in Veränderungsprozessen bestehen daher nicht selten im Ringen um eine Plausibilität der Expertenmeinung, die nur kleine Lösungen anbieten kann, während die Führung als politisches System der Organisation in der Herausforderung steht, „große“ Lösungen anbieten zu müssen. Das kann auch umgekehrt der Fall sein: Das interne Expertensystem schlägt weitreichende und entschiedene Lösungen vor, während das politische System eher den Status Quo möglichst lange aufrechterhalten möchte. Wimmer weist zu Recht darauf hin, dass die Erhöhung der Eigenkomplexitaet zu Konsequenzen für die Wahrnehmung von Führungsfunktionen haben müsse.[1] „Der Zuwachs an interner Komplexität erreicht relativ rasch einen Punkt, an dem er die Steuerungspotenz zentralisierter Hierarchien überfordert.“[2]

Führen bedeutet in dieser Perspektive nicht mehr die Ausübung des Direktionsrechts, sondern das Management von Kooperationsbeziehungen und der Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Experten-Sub-Systemen. Beginnen diese dann ihre eigene Funktionslogik zu hinterfragen und mit anderen Subsystemen abzugleichen, öffnet sich eine Chance für das Gelingen. Ellebracht und Saur ergänzen: „Komplexitaet kann gelenkt werden durch Vielfalt, verteilte Intelligenz und intelligente, vernetzte Entscheidungsprozesse.“[3]

 

Zum Weiterlesen:

Ellebracht, Heiner und Saur, Frank „Führen in schwierigen Zeiten“ 2014 Wiesbaden

Wimmer, Rudolf „Organisation und Beratung – systemtheoretische Perspektiven für die Praxis“ 2012 Heidelberg

[1] vgl. WIMMER 2012:106 ff.

[2] dito 2012:107

[3] Ellebracht, Saur 2014:21