Spezialisierung versus Generalisierung

Generalisierung versus Spezialisierung

Crash Kurs Management – Teil IV

Der mittelständische Einzelunternehmer ist nach wie vor ein Generalist. Er stellt alle wesentlichen Geschäftsprozesse selbst her. Beginnt die Firma zu wachsen, bleibt dieses allgemeine Strukturprinzip noch lange erhalten. Glasl / Lievegoed sprechen von der Pionierphase[1] des Unternehmens, in welchem sich viele Generalisten am Vorbild des Pioniers orientieren. Jeder weiss alles und jede/r könnte jede/n ersetzen. Nimmt jedoch die Komplexität zu, ist Spezialisierung gefragt. Es setzt sich die Erkenntnis durch, dass nicht jede/r alles machen kann. Bestimmt Dinge werden wohl besser gemacht, wenn sie auf ein überschaubares Handlungsfeld eingegrenzt werden. So entsteht auch ein besseres Expertenwissen, eine bessere Produktqualität. Es entstehen aber auch Schnittstellen, die abgegrenzt werden müssen, um Redundanzen zu vermeiden und Schnittstellen, die koordiniert werden müssen, um Teilergebnisse zu großen Ergebnissen zu verschmelzen und zusammen zu fassen. Große, professionelle Unternehmungen und Verwaltungen haben große Schwierigkeiten, die eigendynamische Binnenlogik in ihren Subsystemen miteinander in Kommunikation zu bringen und zu einer gemeinsamen Problemlösung zu bewegen. Am wenigsten haben sich hier bisher direktive und starre Führungskonzepte bewährt. Sie reagieren zu unflexibel und ungenügend auf Veränderungen der Umwelt und des Marktes. Große Angst hat das Top-Management vor der Selbständigkeit mittlerer und unter untergeordneter Führungsebenen, da diese dazu tendieren Strategien zu wählen, die lediglich eine Binnensicht realisieren und nicht die Analyse der größeren Unternehmung. Das zu wählende Verhältnis zwischen Generalisierung und Spezialisierung ist also ein Dilemma. Es kann beobachtet werden, dass folgende Lösungen im Trend liegen: Spezialisierung und Kompetenzzuweisung an überschaubare, flexible Einheiten in ausgewählten Marktumfeldern bei klarer verantwortlicher Ressourcenzuweisung, Auftragsklärung, Beratung und Befähigung, Risikomanagement.

[1] Vgl. Glasl, Friedrich/ Lievegoed, Bernard: Dynamische Unternehmensentwicklung, Bern 1993.

 

wie ein Team eher keinen Mist baut...

Teamcoaching – wie ein Team eher keinen Mist baut…

Das Team ist heutzutage zu einer sehr beliebten Arbeitsform geworden. Es werden ihm weitaus mehr Problemlösungskompetenzen und Kreativität zugetraut, als dem alleine arbeitenden Experten oder der Arbeitsgruppe. Stellenweise wird die Teamidee sogar heldenhaft gegenüber allen anderen Alternativen hervorgehoben.

 

Team ist immer und überall

Inflationär wird immer dann von einem Team gesprochen, wenn mindestens zwei Personen eine engere Kooperation gar nicht vermeiden können, obwohl die Voraussetzungen für eine Teamarbeit gar nicht erfüllt sind. Soziologisch würde man erst ab drei Personen von einer Gruppe sprechen. Gruppendynamiker behaupten, dass die Problemlösefähigkeit eines Dreier-Teams bis zu 80% höher ist, als die Fähigkeit einer einzelnen Person. Die letzten 20% wären erreichbar, wenn man die Gruppe auf bis zu 12 Personen aufstocken würde. Eine solche Gruppe wäre noch dazu imstande sehr direkt und sehr spontan zu kommunizieren. Im Stuhlkreis können fast alle noch gleichzeitig den Blickkontakt miteinander halten. Nun ist aber die Kommunikation zwischen zwölf Personen bereits so komplex, dass sie nicht nur spontan laufen kann. Sie bedarf der Koordination und der Organisation. So entsteht im Team eine Kommunikation über die Art und Weise, wie kommuniziert werden soll, um den Teamauftrag zu erledigen. Gut eingespielte Teams benötigen nur wenig Zeit, um auf ihrer Meta-Ebene die Voraussetzungen ihrer Zusammenarbeit zu klären und wenden sich rasch ihrer konkreten Aufgabe zu. Ab einer Größe von 16 Personen schleichen sich vermehrt massenpsychologische Kommunikationsphänomene ein, wie Regression, Projektion, Bildung von Sub-Gruppen, Verdächtigungen… Wenn ein Team seine Kommunikation nicht geklärt hat, treten solche Phänomene auch schon bei vier, drei oder zwei Mitgliedern auf.

 

Ein gut motivierter Chef macht noch kein Team

Viele Teams bzw. Arbeitsgruppen leiden darunter, dass ihnen ein Teamcharakter unterstellt wird, den sie gar nicht einlösen können. Zu diesen Teameigenschaften gehört:

  • Weitgehende Hierarchiefreiheit
  • Leitung ist im Wesentlichen funktional und wenig charismatisch: Der Chef bedient die Aufgabe und nicht sein Ego.
  • Im Idealfall leitet sich das Team selbst und beruft oder verwirft seine Leitung
  • Je besser das Team, desto weniger Leitung.
  • Leistung ist dann im Wesentlichen Dienstleistung am Team.
  • Sowohl die Kompetenzen, als auch die Schwächen der einzelnen Mitglieder sind inventarisiert. Dieses Wissen dient als Kompass für die Aufgabenverteilung und wird permanent reflektiert. Man weiß, wer was kann und wer was lernen möchte (oder sollte).
  • Es besteht eine hohe Feedback-Kultur, die gleichermaßen ehrlich und respektvoll ist.
  • Die Mitglieder arbeiten mit hoher Selbstverantwortung und ergänzen sich gegenseitig.
  • Alle wissen alles und haben dazu eine Meinung.
  • Es gibt regelmäßig eine weitgehend partizipative Auftragsklärung.
  • Wenn es eine Teamleitung mit Vorgesetztenfunktion gibt, dann definiert sie verlässliche Rahmenbedingungen und übernimmt Verantwortung für eine professionelle Gestaltung der Meta-Kommunikation im Team.

 

Ein Teamcoaching arbeitet mit Utopien und grenzt sich von Utopien ab.

Fasst man alle diese Eigenschaft zusammen entsteht eigentlich schon ein utopischer Entwurf eines Teams. Problematisch ist es, wenn Teams mit Hochleistungserwartungen an diesen idealisierten Teamgedanken belastet werden, den sie leider nicht einlösen und auch nicht reflektieren können.

Vermutlich arbeitet ein Team, das seine Potenziale, und Grenzen kennt und seine Regeln, Funktionen und Leistungen transparent reflektiert besser, als ein Team, welches an überzogenen Erwartungen leidet.

 

Ein Teamcoaching erdet das Team – und fördert Kreativität, Leistungsfähigkeit, Belastbarkeit und Entlastung

So gesehen ist der Teamgedanke eigentlich sogar eine Utopie. Diese Utopie ist nützlich, wenn geklärt und abgestimmt wird, was leistbar ist und was nicht. Man wird diese Utopie nie vollständig realisieren können, aber man kann sich immer von ihr inspirieren lassen. Diese Utopie ist belastend, wenn ungeprüft unterstellt wird, dass das Team immer die beste aller möglichen Arbeitsformen darstellt und Erwartungen und realistische Ziele nicht geklärt werden. Im einen oder anderen Fall kommt eine gut geführte Arbeitsgruppe vielleicht zu besseren Ergebnissen als ein Team.

Ein Teamcoaching kann darin unterstützen Aufträge, Erwartungen, Rollen und Ressourcen zu klären und die Teamqualität zu entwickeln, die in der gegebenen Situation am vielversprechendsten ist.

 

 

Inventar

Transparenz im Change Prozess

Issues inventarisieren statt verdrängen

Menschen, die sich in ihrem Unternehmen mit dem Einstieg in einen Change-Prozess auseinandersetzen müssen, wählen oft zwei Überlebensstrategien: Zum einen wird der Claim definiert und verkündet, der sich auf keinen Fall ändern darf. Ein anderer Claim, der womöglich sogar wichtiger ist, wird versteckt bis die erste Welle der Veränderungsdiskussion durch ist. Vielleicht kann er so gerettet werden, vielleicht wird er aber auch noch als interne Verhandlungsmasse gebraucht und darf nicht zu früh ins Spiel gebracht werden. Die offizielle Spielregel ist die Rationalität. Die inoffizielle Spielregel ist das emotionale Beziehungsgeflecht zwischen den Akteuren.

Alle Akteure in einem Change Prozess weisen Verknüpfungen und Abhängigkeiten in und zur Organisation auf. Sie sind mehr oder weniger befangen. Es gibt keine unabhängigen Akteure, die ausschließlich sachlich, neutral und rational auf den Prozess schauen und ihn steuern. Allerdings unterstreichen alle Akteure üblicherweise Sachlichkeit und Neutralität, wenn es darum geht Veränderungsziele zu definieren. Das führt im Aushandlungsprozess von Veränderungszielen und Interventionen zu Verklärungen, zum Versteckthalten von Motiven und Absichten bis scheinbar günstigere Momente für ihre Offenbarung eintreten.

Was hier geschieht, ist aber nicht weniger als die fortgesetzte Konstruktion eines Dilemmas in der Kommunikation.

Alles, worüber nicht gesprochen wird, aber Relevanz hat, taucht als Blockade im Change Prozess wieder auf.

Glasl prognostiziert sehr ungünstige Auswirkungen auf die Kooperation, wenn ein solches Kommunikationsmuster fortgesetzt wird. Es besteht dann die Gefahr, dass es sich zu einem Konfliktmuster entwickelt. Er rät dazu, die Issues der beteiligten Parteien, also ihre Zielsysteme und Interessensfelder, zu inventarisieren. Damit wird der Verdacht versteckter Motive entlastet und alle wichtigen Interessen erhalten die Chance in einen Klärungs- und Vermittlungsprozess aufgenommen zu werden.

Der Zweck des Spiels in einem Change Prozess besteht also darin, alte Positionen zu behalten oder neue zu bekommen. Es ist kaum vermeidbar, dass dieses Spiel einen Mix aus Verlusten und Gewinnen mit sich bringt. Je kritischer die Erwartung der persönlichen Bilanz ausfällt, desto kritischer dürfte die Bereitschaft zur Unterstützung des Prozesses ausfallen.

An diesem Punkt empfiehlt sich eine offene Aussprache über die folgenden Fragen:

  • Welches Spiel wird hier gespielt?
  • Gelten für alle die gleichen Regeln?
  • Haben alle die gleichen Informationen?
  • Was möchte ich behalten?
  • Was bin ich bereit zu geben?
  • Was möchte ich bekommen?
  • Was ist mir wichtig bei dem, was hier geschehen wird?

Es kommt immer wieder vor, dass Führungskräfte Offenheit und Transparenz eher als ein Risiko für den Prozess empfinden. Werden jedoch alle Motive und Issues gelistet – und wird dabei verdeutlich, dass nichts versprochen, aber über alles geredet wird – entsteht bei den Beteiligten das nötige Vertrauen und vielleicht auch die nötige Resilienz, um die unangenehmen Aspekte des Change Prozesses ertragen zu können.

Zum Weiterlesen:

Glasl, Friedrich „Konfliktmanagement“ 2002 Bern Stuttgart Wien

Change Management

Change Management – Aus der Praxis gesehen

Essentials im Change Management

Zahlreiche Beiträge zum Thema der Veränderungsprozesse oder zum Change Management nehmen eher theoretische Standpunkte ein. Wenn diese Beiträge mit praktischer Erfahrung fundiert sind, sind es wiederum eher externe Standpunkte, von welchen aus der Veränderungsprozess beobachtet wird; so zum Beispiel der Standpunkt des Wissenschaftlers oder des Unternehmensberaters.

Das Bild der Organisationsentwicklung hat sich in den letzten Jahren zunehmend gewandelt. War es vor vielleicht 20, 30 Jahren noch stark von der Idee des Aufbaus und Wachstums einer Organisation geprägt, so stellt sich heute in aller Regel eher die Frage, wie bei einem weitestgehenden Erhalt der bekannten Leistung ein notwendiger und vertretbarer Umbau und Rückbau der tragenden Strukturen erfolgen kann.

Dieser Artikel „Innensichten bei Veränderungen“ beschreibt einen Veränderungsprozess aus der Sicht eines internen Experten, der in einem Wohlfahrtsverband mit der Koordination eines Perspektivprozesses beauftragt ist. Der Artikel entsteht also aus einer Art Binnensicht der Organisationsentwicklung und versucht praktische Erfahrungen (auch) theoretisch zu fundieren und zur Diskussion zu stellen.

Innensichten bei Veränderungen

Rezension: Capacity Works (Kooperationsmanagement)

Rezension zur Buchveröffentlichung

„Kooperationsmanagement in der Praxis – Gesellschaftliche Veränderungen gestalten mit Capacity WORKS“

Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH

Die Managementautoren Glasl, Morgan, Probst machten bereits vorüber 20 Jahren darauf aufmerksam, dass die Wechselbeziehungen zwischen Organisationen und Markt genau jene Umweltbedingungen von Organisationen herstellen, die sowohl Chance als auch finales Risiko bedeuten. Damit lieferte man den Hinweis die Ökonomie als ein komplexes ökologisches System zu verstehen, in welchem einseitige Gewinnerstrategien kurzfristig erfolgreich sein mögen aber langfristig eher mehr neue Probleme generieren, als bekannte Probleme zu lösen. Es stellt sich die Frage, wie Organisationen nicht nur im Gewinner-Modus agieren können, sondern wie sie in Kooperationen zu gesellschaftlichen Problemlösungen beitragen können. Hinzu kommt, dass die zunehmende Komplexität gesellschaftlicher Herausforderungen kaum einer Organisation die Möglichkeit belässt, im vollständigen Alleinstellungsmerkmal die eigenen Produkte oder Dienstleistungen zu platzieren oder Absichten zu realisieren:

Ohne Kooperationen kommt man nicht mehr weiter.

Genau hier setzt das Buch „Kooperationsmanagement in der Praxis – Gesellschaftliche Veränderungen gestalten mit Capacity WORKS“ der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit an. Es weitet den fixierten Blick der üblichen Handlungsansätze des Managements im „eigenen Haus“ auf das Zusammenspiel unterschiedlicher Akteure, deren Beiträge in Bezug auf eigene Zielsetzungen verständlicherweise nicht nur wertvoll, sondern auch widersprüchlich sein können. Die Autoren lenken daher die Aufmerksamkeit auf Ziele, Wirkungen, Haltungen und Tools. Sie langweilen nicht mit einem Best-Practice-Katalog und stellen auch keine erfolgversprechenden Methoden zur Verfügung. Vielmehr führen die richtigen Fragen, die zum richtigen Zeitpunkt gestellt werden, zu den Antworten, die die nächsten Schritte aufzeigen. Dabei verpflichten sie sich zur Entwicklung, Umsetzung und Auswertung von Strategien und lassen erkennen, dass ihre Vorgehensweisen auf soliden Erfahrungen aus der Praxis des Managements von Kooperationen beruhen. „Capacity Works“ benennt fünf Erfolgsfaktoren: Strategie, Kooperation, Steuerungsstruktur, Prozesse, Lernen und Innovation. Sie werden theoretisch fundiert wie auch praxisorientiert vorgestellt und mit einer Toolbox ergänzt, deren Handhabung nicht zufällig an bereits bewährte Management–Modelle wie SIX-SIGMA, TQM oder EFQM erinnert. Dabei erhalten beispielsweise bekannte Tools, wie die SWOT-Analyse nicht nur ein neues Design, sondern auch ein neues Potenzial von Anregungen für die Anwendung.

 Eine Veränderung, die man zusammen mit Anderen auf ein gemeinsam getragenes Ziel richtet, verändert immer auch die eigene Organisation, vielleicht sogar das eigene Selbst – etwa in Form eines Lernergebnisses, einer Zunahme eigener Kompetenzen.

Es mag kein Zufall sein, dass die englische Metapher „Capacity WORKS“ daran erinnert, dass vorhandene Kapazitäten gut arbeiten, wenn sie denn auch gut organisiert werden. Dabei hebt sich die Arbeit der Autoren eindeutig von omnipotenten Phantasien der breitgetretenen Management-Kassenschlager ab und besinnt sich auf seriöse und schlichte Erkenntnisse eines funktionalen Managements.

Wer das beherzigt, vermag eventuell dem Kassandra-Ruf von Dirk Baecker zu entgehen:

„Einen Großteil der Veränderungen, die sich in unserer Gesellschaft abspielen, können wir blockieren, in dem wir die Organisationen daran hindern, sich zu ändern. Dann und nur dann wird die Organisation zum unentrinnbaren Alptraum der Gesellschaft.“

„Capacity WORKS“ stellt für die Entwicklung von Organisationen und ihrer Kooperationen, relevante und aussichtsreiche Beiträge zur Verfügung. Es ist ein Buch, das Hoffnung macht – sowohl für das Aufspüren von Lösungswegen für die drängenden Probleme der Zivilgesellschaft als auch für die immer wieder ins Stocken kommende Diskussion um eine Professionalisierung des Managements.

 

http://www.giz.de/fachexpertise/html/4620.html

Kriegskasse

Die Kriegskasse muss stimmen – Aber: Es gibt keinen Krieg der stimmt!

Sinn und Unsinn der Kriegsmetapher in Veränderungsprozessen

Am Rande einer Tagung über Veränderungsprozesse hörte ich aus dem Munde eines erfahrenen Vorstandsmitglieds eines Wohlfahrtsverbands dieses leidgeprüfte und schlichte Zitat über die Umstrukturierungen im eigenen Unternehmen: „Die Kriegskasse muss stimmen!“

Offensichtlich hält ein Veränderungsprozess viele kleine Scharmützel bereit, die mit Kriegsereignissen verglichen werden: Gutachten, Expertisen, Diskussionen, Dekrete, Abfindungen werden wie Attacken, Tretminen, Kesselschlachten, Attentate und Reparationen empfunden. Sobald die Kriegskasse geöffnet wird, endet das argumentative Aushandeln um Konzessionen und Widerstände, das Feilschen um Rationalität und Wahrhaftigkeit wird ausgesetzt, der Kampf um Veränderung wird mit Geld entschieden. Tatsächlich zählt die Annahme, dass Veränderung nichts kosten darf, zu den großen und dramatischen Irrtümern von Akteuren in Veränderungsprozessen.

Eine Kriegskasse ist eine Finesse.

Zur Finesse eines Veränderungsprozesses zählt sogar die vorübergehende Finanzierung von Redundanzen und Kapazitäten, die im Normalbetrieb eigentlich überflüssig werden. Das kann notwendig werden, um den Betrieb überhaupt bei laufendem Motor umbauen zu können. Also sollte die „Kriegskasse“ gut gefüllt sein. Bis hierhin wäre die Metapher noch nützlich. Die Kriegsmetapher beinhaltet aber auch die Eigenschaft, dass Mitglieder der Organisation zu Opfern werden könnten. Solche Veränderungen werden mit Gewalt gegen existenzielle Interessen durchgesetzt und vollzogen.

Selbst wenn die Kriegskasse stimmt, so stimmen die Ergebnisse des Krieges nicht.

Die Folgen des Krieges sind Schäden, die unheilbar sind. Und was noch heilbar sein mag, erweist sich als kaum bezahlbar. Das ist nicht das Strickmuster von Veränderungen, die nachhaltig erfolgreich sind. Diese setzen hingegen darauf bereits in einem frühen Stadium für den Nutzen von Veränderung einzutreten und möglichst viele Beteiligte zu Gewinnern zu machen. Schließlich sorgen einseitige Gewinne und einseitige Verluste schnell dafür, dass Konflikte neu aufflammen und dass in den Staub getreten wird, was in positiven Veränderungen bereits erreicht wurde. Diese Erkenntnis hat Erich Fried in einem Vierzeiler zusammengefasst. Er schrieb:

Ich bin der Sieg.
Mein Vater war der Krieg,
der Friede ist mein lieber Sohn,
der gleicht meinem Vater schon.

Veränderung in Balance

Veränderung in Balance – warum Einseitigkeit scheitert…

Change Management Splitter I

Wenn heute in Organisationen Veränderungen stattfinden sollen, wird sehr oft eine technisch-administrative Herangehensweise bevorzugt. Sie hat den Vorteil, dass sie Situationen klärt und Unsicherheiten strukturiert. Sie kann die relevanten Schlüsselprozesse in der Organisation definieren, die die entscheidenden Beiträge zum Überleben liefern. An diese Strategie wird oft die Erwartung geknüpft, es gäbe noch den berühmten Kniff, den Trick, die unumstößliche Weisheit, die zu einem Optimum an Effizienz führt und die Rettung bringt. Mitunter werden Unternehmensberatungen händeringend bekniet, dieses Geheimwissen zur Verfügung zu stellen. Andere Berater werben verführerisch mit der Ansage, 40% Einsparung seien immer drin. Damit sind die Erwartungen an technisch-administrative Strategien der Veränderung allerdings weit überzogen. Die beiden Management-Autoren French und Bell teilen hierzu mit:

  • Veränderungsstrategien, die lediglich
    • technisch-administrativ sind, scheitern, weil sie die normativen Aspekte der Organisation (Gefühle, Werte, Kultur, Verständnis, Identität) nicht berücksichtigen.
    • normativ-reedukativ (werteorientiert und „umerzieherisch“) sind, scheitern, weil sie die Definition von Schlüsselprozessen vermeiden.

In systemischer Perspektive ließe sich hier von zwei grundlegenden Subsystemen in der Organisation sprechen. Das technisch-administrative System und das Kultur- und Wertesystem. Das technisch-administrative System würde sich beispielsweise das Organigramm und die Entscheidungsabläufe anschauen und notwendige Veränderungen mit Rationalität begründen. Das Kultur- und Wertesystem würde hingegen eher nach Identität, Selbstverständnis, Motivation und Zielhorizonten und stellt zwei Veränderungsideen von unschätzbarem Wert zur Verfügung. Sie heißen Wertschätzung der bisherigen Lösungsversuche und Verabschiedung von diesen.

Mit diesen beiden Subsystemen wird eines von zahlreichen Konzepten beschrieben, Organisationen anhand ihrer relevanten Subsysteme zu deuten Organigramme und Qualitätsmanagement-Modelle betonen üblicherweise die rationalen Sichtweisen, während es wiederum auch ganzheitliche und sehr differenzierte Beschreibungen gibt, wie das systemisch-evolutionäre Modell nach Fritz Glasl.

Danach durchlaufen Organisationen bestimmte Entwicklungsphasen, die je unterschiedliche Führungskonzepte und Strategien für Veränderung und Weiterentwicklung benötigen. Aus diesem Grund gibt es keine ultimative Managementmethode. Was im einen Fall „best practice“ sein kann, kann im anderen Fall das Scheitern beschleunigen, ebenso wie die Einseitigkeit von Strategien.

Zum weiterlesen:

French, Wendell L. und Bell, Cecil H. jr. „Organisationsentwicklung“ 1990 Bern Stuttgart Wien

Glasl, Friedrich; Lievegoed Bernardus C. J. „Dynamische Unternehmensentwicklung: Grundlagen für nachhaltiges Change Management“ 2004 Bern Stuttgart Wien