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Agile Irrtümer im Management

Wird eine neue Management-Methode bekannt, stellt sich die Frage, ob es sich mal wieder um eine Modeerscheinung handelt oder ob wir vor einem Paradigmenwechsel stehen. Unter Hinweis auf das Thema Agilität beantwortete Beate Hofmann diese Frage in epd sozial 3/19 mit „Ja“. Michael Graf vom Diakonischen Werk Pfalz hat eine andere Sicht auf die Dinge. Ein Diskussionsbeitrag – veröffentlicht in epd sozial digital 05/2019

agiles management

Wirksames Management

Crash-Kurs Management - Teil III

Es gibt kein universelles, den Erfolg garantierendes Management

Wer seinen Blick über die Auslagen von Managementbüchern in den Buchhandlungen streifen lässt, bekommt den Eindruck, man müsse nur die richtige Technik oder die richtige Strategie anwenden, um ein Unternehmen oder eine kleine Einheit davon erfolgreich zu führen. Paten für solche Empfehlungen sind Pinguine, Delphine, Mäuse, Ameisen, Lehrer fast vergessener (fernöstlicher) Weisheiten und manchmal auch Experten, die es eigentlich besser wissen müssten: Es gibt kein universelles, den Erfolg garantierendes Management. Glücklicherweise können gerade Nicht-Management-ExpertInnen diese Aussage nachvollziehen. Denn wenn ein erfolgversprechendes Management den Erfolg garantieren könnte, dann wäre jedes Unternehmen erfolgreich (da es logischerweise genau diese Konzepte anwenden würde) und es gäbe keine Insolvenzen und keine Wirtschaftskrisen. Die Unternehmen und der Markt würden perfekt funktionieren. Inzwischen wissen wir: Der geregelte Markt versagt (z.B.: Kommunismus) und der ungeregelte Markt versagt auch (Kapitalismus und Neoliberalismus). Dennoch gibt es Management-Schulen und Konzepte, die den (unbedingten) Erfolg versprechen. An diesen Versprechungen kann man die Unseriösität von Angeboten erkennen.

Beratung Versus Expertise (ExpertenRat)

Familientherapeuten sind Experten für die Kommunikation zwischen Menschen. Ihre Beratung ist insbesondere dann sehr nützlich, wenn diese Experten darauf aufmerksamn machen, wie das Klientensystem mit sich selbst und über sich selbst kommuniziert. Warum (bzw. wofür) eine solche Kommunikation immer die gleichen Ergebnisse hervorbringt, die mitunter sehr belastend sein kann, kann mit Hilfe von Familientherapeuten sehr gut aufgearbeitet werden. Diese Vorgehensweise lässt sich von einem Familiensystem auch auf ein Beziehungssystem im Beruf übertragen. Ökonomische Systeme mit rechtlich gefasster Zweckbindung und Zielorientierung verhalten sich jedoch letztlich anders als Familien und bieten auch andere Steuerungs- und Interventionsmöglichkeiten an. Familien und Unternehmen handeln in unterschiedlichen Umgebungen. Dabei finden durchaus Übertragungen statt, d.h. ManagerInnen wählen mitunter Strategien, die ihren nicht aufgearbeiteten ehemaligen oder aktuellen Familienrollen entsprechen. Die Arbeit mit solchen unterschiedlichen Systemen bedarf der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Theorien und differenzierten Expertisen. French / Bell unterscheiden zwei grundlegende Strategien der Organisationsentwicklung. Die rationale, administrative und technologische Strategie (die glaubt sagen zu können, wie es geht) und die normativ-reedukative Strategie (die glaubt sagen zu können, wie es sich anfühlt, wenn die Organisation sich entwickelt). Ihre Nützlichkeit beweisen diese Strategien wenn sie in Balance angewendet werden. Zu kritischen Ergebnissen kommt es, wenn eine Strategie überbewertet wird.

Gutes Management ist wirksames Management

Ein wirksames Management ist konzeptionell ausgearbeitet und anschlussfähig an wissenschaftliche, interdisziplinäre Diskussionen über das Management. Interdisziplinär meint sozialwissenschaftliche, ökonomische, geisteswissenschaftliche und branchenspezifische Konzepte. Damit entsteht eine Plattform, in welcher Wirksamkeitsbehauptungen überprüfbar werden; überprüfbar von Kunden, Kooperationspartnern, Mitwettbewerbern, NutzerInnen, ExpertInnen und der Politik.
Ein wirksames Management hat eine hohe Verpflichtung zur Herstellung des angekündigten Ergebnisses. Absichtserklärungen sind hingegen nicht ausreichend.

Burnoutkompetenz

Burnoutkompetenz

Oder: So verstehe ich Gunther Schmitt und Viktor Frankl

Der von Dir benutzte (oder genutzte) weltanschauliche Deutungsrahmen
also beispielsweise dass, was Du eher für wahr und was Du eher für unwahr hältst
(was du für Dich eher für machbar oder eher als unmachbar erscheint)
beeinflusst wesentlich – aber nicht alleine,
(nicht ob oder ob nicht, sondern)
ob Du eher mehr oder eher weniger
depressive Verstimmungen, Rückenschmerzen, psychosomatische Störungen
(und was auch immer als Burn-Out empfunden werden kann)
bekommst.


Und wenn Du es bekommst, stellt sich die Frage:


Benutzt Du Deinen Deutungsrahmen dazu,
Dich damit abzufinden, dass du etwas hast, was du nur schwer ändern kannst –
oder ob Du es dazu verwenden willst, das was dich stört, als einen Lösungsversuch zu verstehen.


Du gestaltest das mit, ob diese eher belastenden Deutungen zu einem permanent anhaltenden und darum eher belastenden Lösungsversuch werden
oder ob sie eher einen episodenhaften Lösungsversuch darstellen und anderen Lösungsideen Platz machen können.


Jeder Lösungsversuch – belastend oder episodenhaft – verdient eine Anerkennung, denn er beschreibt erst einmal grundlegend die Kompetenz eine Lösung herbeizuführen.
Wenn die Lösung sich denn als belastend zeigen sollte, kann sie weiter entwickelt werden in eine Lösung, die weniger belastend ist.
Ob sich belastende Lösungsversuche chronifizieren,

  • ist keine Frage von angeblich vorherbestimmten psychischen Krankheitsverläufen
  • ist keine Frage persönlicher Schuld oder persönlichen Versagens.


Es ist aber ein komplexes Zusammenspiel von willkürlichen und unwillkürlichen Deutungsprozessen,
also was du bewußt denkst und unbewußt assoziierst.


Das Verständnis dieses Zusammenspiels, des Zustandekommens von Konstruktionen, die Du für die Welt hältst,
bietet genau die Chance an, nachhaltig eher weniger belastende Lösungen aufzusuchen.

Ein Burnout wäre dann in diesem Sinne nicht nur ein Problem, sondern eben eine Burnoutkompetenz, die sich weiter entwickeln lässt.


Mit dem Rest kommt man dann ganz gut klar…

Referenzen

Referenzen – syscoach graf

Das Coaching bei Michael Graf war einfach wertvoll. Es hat viel Bewegung in meine Arbeit gebracht, sogar im privaten Bereich gab es positive Veränderungen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich so gut, effektiv und nachhaltig vom Problem zur Lösung kommen kann.

D.W., Erzieherin, Leiterin einer Kindertagesstätte

Michael Graf…
…stellt immer die Fragen, die einen weiterbringen
… ist sehr hilfreich für die Konzeptentwicklung
… hat einen guten theoretischen Hintergrund und bringt Fakten
gewinnbringend in Prozesse ein
…hat sehr gute Sachkenntnis in kirchlichen Bezügen und kennt das entsprechende Setting mit seinen Strukturen und Akteuren
…gibt Anregung zum Denken in Bildern und Symbolen

Kerstin Bartels, Stadtjugendpfarrerin, Ludwigshafen

Mit Hilfe von Herrn Graf, gelang es mir meine Probleme bei Bewerbungsgesprächen in einem völlig neuen Licht zu betrachten. Die mit ihm erarbeiteten Lösungen zeigten schnell Wirkung und brachten das gewünschte Resultat. Dank des Coachings kann ich in Verhandlungen, sei es mit Kunden oder mit Vorgesetzten, mich oder meine Ziele selbstbewusster präsentieren.

C.E., Dipl.-Ingenieur (FH) Chemische Technik

Das Coaching bei Michael Graf stand klar unter dem Motto “ Hilfe zur Selbsthilfe“. Er hat mir geholfen selbst Lösungsstrategien für meine Probleme zu erarbeiten ohne bevormundend und fordernd zu sein. Einfach hervorragend!

K.E., Ärztin , Master of Science of Health Economics

Durch das Mentoring-Programm habe ich gemerkt wie hilfreich es in einer
Konfliktsituation ist, den Blickwinkel zu ändern. Durch diesen Blick von
„oben“ kann das eigene und das Verhalten aller Beteiligten besser reflektiert
werden. Dies hilft die Situation zu entschärfen oder die Eskalation zu
verhindern.
M.M., Dipl.-Verwaltungswirtin, Pressesprecherin einer
Government-Organisation


							
Wie man wird, was man ist...

Wie man wird, was man ist

ECCE HOMO – Coaching by Nietzsche

Etwas zu werden, was man oder frau (noch) nicht ist, ist zumeist der Anlass dafür, ein Coaching in Anspruch zu nehmen. Ein Coaching könnte helfen sozialkompetenter zu sein, leistungsfähiger, redegewandter, selbstsicherer, charmanter, erfolgreicher…

Nietzsche machte darauf aufmerksam, dass es für die meisten Fälle des Lebens reicht das zu werden, was man ohnehin schon ist. Es ist bereits alles da. Alles was wichtig ist, scheint in der Person bereits angelegt. Und es sind weniger die großen Leistungsparameter, als das „sich-einlassen-können“ auf Irrtümer und Mißerfolge, das „sich- selbst-vertrauen“ und das Vertrauen in Andere, sowie das Leben für und mit Anderen, welches den Menschen formt.

„Dass man wird, was man ist, setzt voraus, dass man nicht im Entferntesten ahnt, was man ist.“

„Aus diesem Gesichtspunkte haben selbst die Fehlgriffe des Lebens ihren eignen Sinn und Werth, die zeitweiligen Nebenwege und Abwege, die Verzögerungen, die „Bescheidenheiten“, der Ernst, auf Aufgaben verschwendet, die jenseits der Aufgabe liegen. Darin kann eine grosse Klugheit, sogar die oberste Klugheit zum Ausdruck [kommen]: wo nosce te ipsum das Recept zum Untergang wäre, wird Sich-Vergessen, Sich-Missverstehn, Sich-Verkleinern, -Verengern, -Vermittelmässigen zur Vernunft selber. Moralisch ausgedrückt: Nächstenliebe, Leben für Andere und Anderes kann die Schutzmassregel zur Erhaltung der härtesten Selbstigkeit sein. „

Kurz ausgedrückt: Der Mensch, der sein Wirken in die Bedürfnisse der Gemeinschaft stellt, wird mit der Ausformung des eigenen Selbst belohnt.

Nietzsche fordert dazu auf, sich viel Zeit zu lassen, bevor man sich entscheidet großen Zielen zu folgen. Diese Wartezeit ist die Zeit, in der das eigene Vermögen ausgebildet wird und eine natürliche Vielfalt entsteht, die durch allzufrühe große Absichten nicht zur Entfaltung kommt.

„Dies ist der Ausnahmefall, in welchem ich, gegen meine Regel und Überzeugung, die Partei der „selbstlosen“ Triebe nehme: sie arbeiten hier im Dienste der Selbstsucht, Selbstzucht. – Man muss die ganze Oberfläche des Bewusstseins – Bewusstsein ist eine Oberfläche – rein erhalten von irgend einem der grossen Imperative. Vorsicht selbst vor jedem grossen Worte, jeder grossen Attitüde! Lauter Gefahren, dass der Instinkt zu früh „sich versteht“ – – Inzwischen wächst und wächst die organisirende, die zur Herrschaft berufne „Idee“ in der Tiefe, – sie beginnt zu befehlen, sie leitet langsam aus Nebenwegen und Abwegen zurück, sie bereitet einzelne Qualitäten und Tüchtigkeiten vor, die einmal als Mittel zum Ganzen sich unentbehrlich erweisen werden, – sie bildet der Reihe nach alle dienenden Vermögen aus, bevor sie irgend Etwas von der dominirenden Aufgabe, von „Ziel“, „Zweck“, „Sinn“ verlauten lässt. – Nach dieser Seite hin betrachtet ist mein Leben einfach wundervoll. Zur Aufgabe einer Umwerthung der Werthe waren vielleicht mehr Vermögen nöthig, als je in einem Einzelnen bei einander gewohnt haben, vor Allem auch Gegensätze von Vermögen, ohne dass diese sich stören, zerstören durften. Rangordnung der Vermögen; Distanz; die Kunst zu trennen, ohne zu verfeinden; Nichts vermischen, Nichts „versöhnen“; eine ungeheure Vielheit, die trotzdem das Gegenstück des Chaos ist – dies war die Vorbedingung, die lange geheime Arbeit und Künstlerschaft meines Instinkts. Seine höhere Obhut zeigte sich in dem Maasse stark, dass ich in keinem Falle auch nur geahnt habe, was in mir wächst, – dass alle meine Fähigkeiten plötzlich, reif, in ihrer letzten Vollkommenheit eines Tags hervorsprangen. Es fehlt in meiner Erinnerung, dass ich mich je bemüht hätte, – es ist kein Zug von Ringen in meinem Leben nachweisbar, ich bin der Gegensatz einer heroischen Natur. Etwas „wollen“, nach Etwas „streben“, einen „Zweck“, einen „Wunsch“ im Auge haben das kenne ich Alles nicht aus Erfahrung. Noch in diesem Augenblick sehe ich auf meine Zukunft – eine weite Zukunft! wie auf ein glattes Meer hinaus:“

Ecce homo, Wie man wird, was man ist (German Edition) von Nietzsche, Friedrich Wilhelm http://www.amazon.de/dp/B004SIYZV0

Für die meisten Fälle des Lebens reicht es aus, das zu werden man bereits ist.

Nietzsche kokettierte in diesen Zeilen mit seiner eigenen Genialität, bevor er in den folgenden Jahren in den Wahnsinn abdriftete. Eine ganze Reihe späterer Bildungstheoretiker dürften ihm heute in der Behauptung posthum zustimmen, dass Bildung mehr ist als die Ansammlung arbeitsmarktkonformer Kompetenzen und dass Bildung zunächst der Absicht der Menschwerdung vorbehalten werden muss und sich allenfalls später für den Zweck der Erwerbstätigkeit öffnen darf.

Leider müssen wir vermuten, dass Nietzsche von seinen Erkenntnissen in den folgenden Jahren nicht mehr viel für sich selbst nutzen konnte. Um seine Genialität wissend begab er sich in eine unerreichbare Arroganz. Heutige Gutachter würden wohl ganz nüchtern – trotz der gegebenen Genialität – von einer mangelnden Fähigkeit zur selbständigen sozialen Integration sprechen. Schließlich starb er mit 56 Jahren in geistiger Umnachtung.

Es wäre interessant zu beobachten, was sich ereignet hätte, wenn Nietzsche nicht nur außer seiner außergewöhnlichen Fähigkeit zur Reflexion auch eine angemessene Möglichkeit zur Resonanz gehabt hätte. Was wäre geschehen, wenn ihn jemand mit einer erfrischenden, begleitenden und kritischen Resonanz erreicht hätte?

Feedback und angemessene Würdigung blieben ihm zu Lebzeiten versagt. Uns bleibt die befreiende Erkenntnis, dass es für die meisten Fälle des Lebens ausreicht, das zu werden, was wir bereits sind.

Wenn Sie es nicht glauben, googeln Sie nach einem Chaka-Coach. Wenn Sie eine erfrischende, begleitende und kritische Resonanz bevorzugen, finden Sie hier irgendwo auf der Seite meine Telefonnummer.

Komplexitaet

„Komplexitaet verstehen statt reduzieren“ als eine neue Führungsaufgabe

Immer öfter überraschen alltägliche Geschäftsvorfälle mit ihrer Komplexität. Die Komplexität zeigt sich, sobald der erste Lösungsversuch weit vor dem Ziel stecken bleibt und das ursprüngliche Vorhaben zunächst andere Maßnahmen verlangt, bevor man sich wieder der Tagesordnung widmen kann. Komplexität lässt sich nicht vereinfachen – lediglich die Betrachtung des Geschäftsvorfalls oder des Gegenstandes kann vereinfacht werden. Das System selbst bleibt komplex.

Eigentlich bieten sich zwei Lösungen an:

  • Man könnte versuchen die Komplexität zu reduzieren. Das Risiko dieser Idee lautet: Es könnte etwas übersehen werden.
  • Man könnte Komplexität erweitern. Der Nachteil: Man schaufelt sich mit Details und Banalitäten den Kopf zu.

 

Komplexität muss an den richtigen Stellen reduzieren oder erweitert werden, um sie managen zu können.

Das bedeutet in der Praxis: Die Expertenebene unterhalb der Führungsebene muss Komplexitaet möglichst soweit aufarbeiten, dass der Führung zeitraubende Kenntnisnahmen erspart bleiben. Der Schlüssel im Umgang mit Komplexitaet ist jedoch nicht das Abarbeiten, sondern das Verstehen. Daher muss auch die Führung an den richtigen und ausgesuchten Stellen ihre Auseinandersetzung mit Komplexitaet leisten, indem sie Komplexitaet erweitert, statt diese zu delegieren. Aber auch diese Strategie stößt schnell an ihre Grenzen.

 

Das Dilemma der Komplexitaet erfordert einen Paradigmenwechsel beim Führen

In komplexen Vorgängen wohnen Sachzwänge, deren Aufarbeitung oft einen deutlich kleineren Entscheidungsspielraum zulässt, als die Führung eines Systems es sich wünschen würde. Konflikte in Veränderungsprozessen bestehen daher nicht selten im Ringen um eine Plausibilität der Expertenmeinung, die nur kleine Lösungen anbieten kann, während die Führung als politisches System der Organisation in der Herausforderung steht, „große“ Lösungen anbieten zu müssen. Das kann auch umgekehrt der Fall sein: Das interne Expertensystem schlägt weitreichende und entschiedene Lösungen vor, während das politische System eher den Status Quo möglichst lange aufrechterhalten möchte. Wimmer weist zu Recht darauf hin, dass die Erhöhung der Eigenkomplexitaet zu Konsequenzen für die Wahrnehmung von Führungsfunktionen haben müsse.[1] „Der Zuwachs an interner Komplexität erreicht relativ rasch einen Punkt, an dem er die Steuerungspotenz zentralisierter Hierarchien überfordert.“[2]

Führen bedeutet in dieser Perspektive nicht mehr die Ausübung des Direktionsrechts, sondern das Management von Kooperationsbeziehungen und der Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Experten-Sub-Systemen. Beginnen diese dann ihre eigene Funktionslogik zu hinterfragen und mit anderen Subsystemen abzugleichen, öffnet sich eine Chance für das Gelingen. Ellebracht und Saur ergänzen: „Komplexitaet kann gelenkt werden durch Vielfalt, verteilte Intelligenz und intelligente, vernetzte Entscheidungsprozesse.“[3]

 

Zum Weiterlesen:

Ellebracht, Heiner und Saur, Frank „Führen in schwierigen Zeiten“ 2014 Wiesbaden

Wimmer, Rudolf „Organisation und Beratung – systemtheoretische Perspektiven für die Praxis“ 2012 Heidelberg

[1] vgl. WIMMER 2012:106 ff.

[2] dito 2012:107

[3] Ellebracht, Saur 2014:21

Kriegskasse

Die Kriegskasse muss stimmen – Aber: Es gibt keinen Krieg der stimmt!

Sinn und Unsinn der Kriegsmetapher in Veränderungsprozessen

Am Rande einer Tagung über Veränderungsprozesse hörte ich aus dem Munde eines erfahrenen Vorstandsmitglieds eines Wohlfahrtsverbands dieses leidgeprüfte und schlichte Zitat über die Umstrukturierungen im eigenen Unternehmen: „Die Kriegskasse muss stimmen!“

Offensichtlich hält ein Veränderungsprozess viele kleine Scharmützel bereit, die mit Kriegsereignissen verglichen werden: Gutachten, Expertisen, Diskussionen, Dekrete, Abfindungen werden wie Attacken, Tretminen, Kesselschlachten, Attentate und Reparationen empfunden. Sobald die Kriegskasse geöffnet wird, endet das argumentative Aushandeln um Konzessionen und Widerstände, das Feilschen um Rationalität und Wahrhaftigkeit wird ausgesetzt, der Kampf um Veränderung wird mit Geld entschieden. Tatsächlich zählt die Annahme, dass Veränderung nichts kosten darf, zu den großen und dramatischen Irrtümern von Akteuren in Veränderungsprozessen.

Eine Kriegskasse ist eine Finesse.

Zur Finesse eines Veränderungsprozesses zählt sogar die vorübergehende Finanzierung von Redundanzen und Kapazitäten, die im Normalbetrieb eigentlich überflüssig werden. Das kann notwendig werden, um den Betrieb überhaupt bei laufendem Motor umbauen zu können. Also sollte die „Kriegskasse“ gut gefüllt sein. Bis hierhin wäre die Metapher noch nützlich. Die Kriegsmetapher beinhaltet aber auch die Eigenschaft, dass Mitglieder der Organisation zu Opfern werden könnten. Solche Veränderungen werden mit Gewalt gegen existenzielle Interessen durchgesetzt und vollzogen.

Selbst wenn die Kriegskasse stimmt, so stimmen die Ergebnisse des Krieges nicht.

Die Folgen des Krieges sind Schäden, die unheilbar sind. Und was noch heilbar sein mag, erweist sich als kaum bezahlbar. Das ist nicht das Strickmuster von Veränderungen, die nachhaltig erfolgreich sind. Diese setzen hingegen darauf bereits in einem frühen Stadium für den Nutzen von Veränderung einzutreten und möglichst viele Beteiligte zu Gewinnern zu machen. Schließlich sorgen einseitige Gewinne und einseitige Verluste schnell dafür, dass Konflikte neu aufflammen und dass in den Staub getreten wird, was in positiven Veränderungen bereits erreicht wurde. Diese Erkenntnis hat Erich Fried in einem Vierzeiler zusammengefasst. Er schrieb:

Ich bin der Sieg.
Mein Vater war der Krieg,
der Friede ist mein lieber Sohn,
der gleicht meinem Vater schon.