Ein Interpretationsversuch über eine Matratze am Straßenrand
Zu „liken“ bedeutet fast schon zu „lieben“ in einer Welt voller Hass.
Aber es ist auch möglich zu „liken“, weil man es liebt zu hassen.
Der Mensch hält sich zwischen diesen Möglichkeiten auf. Am unteren Ende der Komfort-Zone.
Der Begriff „to like“ hat seine Bedeutung verändert. Die Verwendung des Wortes informiert nicht nur darüber, dass man etwas mag. Es bedeutet immer auch die Veröffentlichung des „Mögens“ wenn nicht sogar der Zurschaustellung. Hingegen gibt es kein „Unlike“ oder kein „Dislike“, obwohl es nur zu menschlich ist, andere Dinge oder auch andere Menschen, bzw. deren Verhalten nicht zu mögen. Aus der Vermeidung des „Nicht-Mögens“ entsteht die Paradoxie, dass viele Menschen beispielsweise einen Amoklauf mögen. Vielleicht mögen sie aber gar nicht den Amoklauf, sondern die dazu gehörende Berichterstattung oder den Kommentar. Aber selbst wenn man das mag, wäre man dann nicht gut beraten seine Gefühle zu sortieren? In der digitalen Kommunikation wird eine Oberflächlichkeit der Gefühle provoziert, die mit wenigen Signalen, Emoticons und Shortkeys auskommen muss, um das Wesentliche, das Innere auszudrücken. Eine Variation besteht dann wenigstens im „Nicht – Liken“, also in der Wahrnehmung, die ohne Reaktion und Erwiderung bleibt. Der gelesene Beitrag geht dann unter im Nichts. Aus diesem Nichts wird das nur spärlich und stellenweise zum Ausdruck gebracht „Like“ dann fast schon zum einem Akt der Liebe, zur nachhaltigen gegenseitigen Gefälligkeit in virtuellen Gemeinschaften. Gäbe es jedoch die Chance des „Dislikens“ als eigenen Button, müsste man befürchten, dass er zu Hauf missbraucht würde. Viele könnten die Konfrontation mit „Dislikes“ vermutlich gar nicht aushalten. Es scheint, als müsse man den Menschen vor sich selbst beschützen. Seit der englische Philosoph im Jahr 1641 den Leviathan – (Das räuberische Tier als Symbol des starken Staates) entworfen hat, der die Menschen vor ihrer schlimmsten Gefahr, dem Menschen, beschützen soll, hat sich die Menschheit offenbar nur digital weiterentwickelt, weniger moralisch. Vielleicht könnte man das glauben, wenn nicht jemand die Idee gehabt hätte in Londoner East End sein „Digital Poem“ auf eine Matratze zu sprayen und zum Nachdenken an eine Mauer zu stellen. Zu „liken“ oder zu „disliken“ – virtuell oder im richtigen Leben, es zu zeigen oder nicht zu zeigen, wählerisch und überlegt zu handeln, die Folgen zu bedenken – das heisst Verantwortung wahrzunehmen. Für sich selbst und für Andere. Eigentlich ein echter Fortschritt.