wie ein Team eher keinen Mist baut...

Teamcoaching – wie ein Team eher keinen Mist baut…

Das Team ist heutzutage zu einer sehr beliebten Arbeitsform geworden. Es werden ihm weitaus mehr Problemlösungskompetenzen und Kreativität zugetraut, als dem alleine arbeitenden Experten oder der Arbeitsgruppe. Stellenweise wird die Teamidee sogar heldenhaft gegenüber allen anderen Alternativen hervorgehoben.

 

Team ist immer und überall

Inflationär wird immer dann von einem Team gesprochen, wenn mindestens zwei Personen eine engere Kooperation gar nicht vermeiden können, obwohl die Voraussetzungen für eine Teamarbeit gar nicht erfüllt sind. Soziologisch würde man erst ab drei Personen von einer Gruppe sprechen. Gruppendynamiker behaupten, dass die Problemlösefähigkeit eines Dreier-Teams bis zu 80% höher ist, als die Fähigkeit einer einzelnen Person. Die letzten 20% wären erreichbar, wenn man die Gruppe auf bis zu 12 Personen aufstocken würde. Eine solche Gruppe wäre noch dazu imstande sehr direkt und sehr spontan zu kommunizieren. Im Stuhlkreis können fast alle noch gleichzeitig den Blickkontakt miteinander halten. Nun ist aber die Kommunikation zwischen zwölf Personen bereits so komplex, dass sie nicht nur spontan laufen kann. Sie bedarf der Koordination und der Organisation. So entsteht im Team eine Kommunikation über die Art und Weise, wie kommuniziert werden soll, um den Teamauftrag zu erledigen. Gut eingespielte Teams benötigen nur wenig Zeit, um auf ihrer Meta-Ebene die Voraussetzungen ihrer Zusammenarbeit zu klären und wenden sich rasch ihrer konkreten Aufgabe zu. Ab einer Größe von 16 Personen schleichen sich vermehrt massenpsychologische Kommunikationsphänomene ein, wie Regression, Projektion, Bildung von Sub-Gruppen, Verdächtigungen… Wenn ein Team seine Kommunikation nicht geklärt hat, treten solche Phänomene auch schon bei vier, drei oder zwei Mitgliedern auf.

 

Ein gut motivierter Chef macht noch kein Team

Viele Teams bzw. Arbeitsgruppen leiden darunter, dass ihnen ein Teamcharakter unterstellt wird, den sie gar nicht einlösen können. Zu diesen Teameigenschaften gehört:

  • Weitgehende Hierarchiefreiheit
  • Leitung ist im Wesentlichen funktional und wenig charismatisch: Der Chef bedient die Aufgabe und nicht sein Ego.
  • Im Idealfall leitet sich das Team selbst und beruft oder verwirft seine Leitung
  • Je besser das Team, desto weniger Leitung.
  • Leistung ist dann im Wesentlichen Dienstleistung am Team.
  • Sowohl die Kompetenzen, als auch die Schwächen der einzelnen Mitglieder sind inventarisiert. Dieses Wissen dient als Kompass für die Aufgabenverteilung und wird permanent reflektiert. Man weiß, wer was kann und wer was lernen möchte (oder sollte).
  • Es besteht eine hohe Feedback-Kultur, die gleichermaßen ehrlich und respektvoll ist.
  • Die Mitglieder arbeiten mit hoher Selbstverantwortung und ergänzen sich gegenseitig.
  • Alle wissen alles und haben dazu eine Meinung.
  • Es gibt regelmäßig eine weitgehend partizipative Auftragsklärung.
  • Wenn es eine Teamleitung mit Vorgesetztenfunktion gibt, dann definiert sie verlässliche Rahmenbedingungen und übernimmt Verantwortung für eine professionelle Gestaltung der Meta-Kommunikation im Team.

 

Ein Teamcoaching arbeitet mit Utopien und grenzt sich von Utopien ab.

Fasst man alle diese Eigenschaft zusammen entsteht eigentlich schon ein utopischer Entwurf eines Teams. Problematisch ist es, wenn Teams mit Hochleistungserwartungen an diesen idealisierten Teamgedanken belastet werden, den sie leider nicht einlösen und auch nicht reflektieren können.

Vermutlich arbeitet ein Team, das seine Potenziale, und Grenzen kennt und seine Regeln, Funktionen und Leistungen transparent reflektiert besser, als ein Team, welches an überzogenen Erwartungen leidet.

 

Ein Teamcoaching erdet das Team – und fördert Kreativität, Leistungsfähigkeit, Belastbarkeit und Entlastung

So gesehen ist der Teamgedanke eigentlich sogar eine Utopie. Diese Utopie ist nützlich, wenn geklärt und abgestimmt wird, was leistbar ist und was nicht. Man wird diese Utopie nie vollständig realisieren können, aber man kann sich immer von ihr inspirieren lassen. Diese Utopie ist belastend, wenn ungeprüft unterstellt wird, dass das Team immer die beste aller möglichen Arbeitsformen darstellt und Erwartungen und realistische Ziele nicht geklärt werden. Im einen oder anderen Fall kommt eine gut geführte Arbeitsgruppe vielleicht zu besseren Ergebnissen als ein Team.

Ein Teamcoaching kann darin unterstützen Aufträge, Erwartungen, Rollen und Ressourcen zu klären und die Teamqualität zu entwickeln, die in der gegebenen Situation am vielversprechendsten ist.

 

 

Burnoutkompetenz

Burnoutkompetenz

Oder: So verstehe ich Gunther Schmitt und Viktor Frankl

Der von Dir benutzte (oder genutzte) weltanschauliche Deutungsrahmen
also beispielsweise dass, was Du eher für wahr und was Du eher für unwahr hältst
(was du für Dich eher für machbar oder eher als unmachbar erscheint)
beeinflusst wesentlich – aber nicht alleine,
(nicht ob oder ob nicht, sondern)
ob Du eher mehr oder eher weniger
depressive Verstimmungen, Rückenschmerzen, psychosomatische Störungen
(und was auch immer als Burn-Out empfunden werden kann)
bekommst.


Und wenn Du es bekommst, stellt sich die Frage:


Benutzt Du Deinen Deutungsrahmen dazu,
Dich damit abzufinden, dass du etwas hast, was du nur schwer ändern kannst –
oder ob Du es dazu verwenden willst, das was dich stört, als einen Lösungsversuch zu verstehen.


Du gestaltest das mit, ob diese eher belastenden Deutungen zu einem permanent anhaltenden und darum eher belastenden Lösungsversuch werden
oder ob sie eher einen episodenhaften Lösungsversuch darstellen und anderen Lösungsideen Platz machen können.


Jeder Lösungsversuch – belastend oder episodenhaft – verdient eine Anerkennung, denn er beschreibt erst einmal grundlegend die Kompetenz eine Lösung herbeizuführen.
Wenn die Lösung sich denn als belastend zeigen sollte, kann sie weiter entwickelt werden in eine Lösung, die weniger belastend ist.
Ob sich belastende Lösungsversuche chronifizieren,

  • ist keine Frage von angeblich vorherbestimmten psychischen Krankheitsverläufen
  • ist keine Frage persönlicher Schuld oder persönlichen Versagens.


Es ist aber ein komplexes Zusammenspiel von willkürlichen und unwillkürlichen Deutungsprozessen,
also was du bewußt denkst und unbewußt assoziierst.


Das Verständnis dieses Zusammenspiels, des Zustandekommens von Konstruktionen, die Du für die Welt hältst,
bietet genau die Chance an, nachhaltig eher weniger belastende Lösungen aufzusuchen.

Ein Burnout wäre dann in diesem Sinne nicht nur ein Problem, sondern eben eine Burnoutkompetenz, die sich weiter entwickeln lässt.


Mit dem Rest kommt man dann ganz gut klar…

Wie man wird, was man ist...

Wie man wird, was man ist

ECCE HOMO – Coaching by Nietzsche

Etwas zu werden, was man oder frau (noch) nicht ist, ist zumeist der Anlass dafür, ein Coaching in Anspruch zu nehmen. Ein Coaching könnte helfen sozialkompetenter zu sein, leistungsfähiger, redegewandter, selbstsicherer, charmanter, erfolgreicher…

Nietzsche machte darauf aufmerksam, dass es für die meisten Fälle des Lebens reicht das zu werden, was man ohnehin schon ist. Es ist bereits alles da. Alles was wichtig ist, scheint in der Person bereits angelegt. Und es sind weniger die großen Leistungsparameter, als das „sich-einlassen-können“ auf Irrtümer und Mißerfolge, das „sich- selbst-vertrauen“ und das Vertrauen in Andere, sowie das Leben für und mit Anderen, welches den Menschen formt.

„Dass man wird, was man ist, setzt voraus, dass man nicht im Entferntesten ahnt, was man ist.“

„Aus diesem Gesichtspunkte haben selbst die Fehlgriffe des Lebens ihren eignen Sinn und Werth, die zeitweiligen Nebenwege und Abwege, die Verzögerungen, die „Bescheidenheiten“, der Ernst, auf Aufgaben verschwendet, die jenseits der Aufgabe liegen. Darin kann eine grosse Klugheit, sogar die oberste Klugheit zum Ausdruck [kommen]: wo nosce te ipsum das Recept zum Untergang wäre, wird Sich-Vergessen, Sich-Missverstehn, Sich-Verkleinern, -Verengern, -Vermittelmässigen zur Vernunft selber. Moralisch ausgedrückt: Nächstenliebe, Leben für Andere und Anderes kann die Schutzmassregel zur Erhaltung der härtesten Selbstigkeit sein. „

Kurz ausgedrückt: Der Mensch, der sein Wirken in die Bedürfnisse der Gemeinschaft stellt, wird mit der Ausformung des eigenen Selbst belohnt.

Nietzsche fordert dazu auf, sich viel Zeit zu lassen, bevor man sich entscheidet großen Zielen zu folgen. Diese Wartezeit ist die Zeit, in der das eigene Vermögen ausgebildet wird und eine natürliche Vielfalt entsteht, die durch allzufrühe große Absichten nicht zur Entfaltung kommt.

„Dies ist der Ausnahmefall, in welchem ich, gegen meine Regel und Überzeugung, die Partei der „selbstlosen“ Triebe nehme: sie arbeiten hier im Dienste der Selbstsucht, Selbstzucht. – Man muss die ganze Oberfläche des Bewusstseins – Bewusstsein ist eine Oberfläche – rein erhalten von irgend einem der grossen Imperative. Vorsicht selbst vor jedem grossen Worte, jeder grossen Attitüde! Lauter Gefahren, dass der Instinkt zu früh „sich versteht“ – – Inzwischen wächst und wächst die organisirende, die zur Herrschaft berufne „Idee“ in der Tiefe, – sie beginnt zu befehlen, sie leitet langsam aus Nebenwegen und Abwegen zurück, sie bereitet einzelne Qualitäten und Tüchtigkeiten vor, die einmal als Mittel zum Ganzen sich unentbehrlich erweisen werden, – sie bildet der Reihe nach alle dienenden Vermögen aus, bevor sie irgend Etwas von der dominirenden Aufgabe, von „Ziel“, „Zweck“, „Sinn“ verlauten lässt. – Nach dieser Seite hin betrachtet ist mein Leben einfach wundervoll. Zur Aufgabe einer Umwerthung der Werthe waren vielleicht mehr Vermögen nöthig, als je in einem Einzelnen bei einander gewohnt haben, vor Allem auch Gegensätze von Vermögen, ohne dass diese sich stören, zerstören durften. Rangordnung der Vermögen; Distanz; die Kunst zu trennen, ohne zu verfeinden; Nichts vermischen, Nichts „versöhnen“; eine ungeheure Vielheit, die trotzdem das Gegenstück des Chaos ist – dies war die Vorbedingung, die lange geheime Arbeit und Künstlerschaft meines Instinkts. Seine höhere Obhut zeigte sich in dem Maasse stark, dass ich in keinem Falle auch nur geahnt habe, was in mir wächst, – dass alle meine Fähigkeiten plötzlich, reif, in ihrer letzten Vollkommenheit eines Tags hervorsprangen. Es fehlt in meiner Erinnerung, dass ich mich je bemüht hätte, – es ist kein Zug von Ringen in meinem Leben nachweisbar, ich bin der Gegensatz einer heroischen Natur. Etwas „wollen“, nach Etwas „streben“, einen „Zweck“, einen „Wunsch“ im Auge haben das kenne ich Alles nicht aus Erfahrung. Noch in diesem Augenblick sehe ich auf meine Zukunft – eine weite Zukunft! wie auf ein glattes Meer hinaus:“

Ecce homo, Wie man wird, was man ist (German Edition) von Nietzsche, Friedrich Wilhelm http://www.amazon.de/dp/B004SIYZV0

Für die meisten Fälle des Lebens reicht es aus, das zu werden man bereits ist.

Nietzsche kokettierte in diesen Zeilen mit seiner eigenen Genialität, bevor er in den folgenden Jahren in den Wahnsinn abdriftete. Eine ganze Reihe späterer Bildungstheoretiker dürften ihm heute in der Behauptung posthum zustimmen, dass Bildung mehr ist als die Ansammlung arbeitsmarktkonformer Kompetenzen und dass Bildung zunächst der Absicht der Menschwerdung vorbehalten werden muss und sich allenfalls später für den Zweck der Erwerbstätigkeit öffnen darf.

Leider müssen wir vermuten, dass Nietzsche von seinen Erkenntnissen in den folgenden Jahren nicht mehr viel für sich selbst nutzen konnte. Um seine Genialität wissend begab er sich in eine unerreichbare Arroganz. Heutige Gutachter würden wohl ganz nüchtern – trotz der gegebenen Genialität – von einer mangelnden Fähigkeit zur selbständigen sozialen Integration sprechen. Schließlich starb er mit 56 Jahren in geistiger Umnachtung.

Es wäre interessant zu beobachten, was sich ereignet hätte, wenn Nietzsche nicht nur außer seiner außergewöhnlichen Fähigkeit zur Reflexion auch eine angemessene Möglichkeit zur Resonanz gehabt hätte. Was wäre geschehen, wenn ihn jemand mit einer erfrischenden, begleitenden und kritischen Resonanz erreicht hätte?

Feedback und angemessene Würdigung blieben ihm zu Lebzeiten versagt. Uns bleibt die befreiende Erkenntnis, dass es für die meisten Fälle des Lebens ausreicht, das zu werden, was wir bereits sind.

Wenn Sie es nicht glauben, googeln Sie nach einem Chaka-Coach. Wenn Sie eine erfrischende, begleitende und kritische Resonanz bevorzugen, finden Sie hier irgendwo auf der Seite meine Telefonnummer.

Rezension Selbststeuerung

Wie fühlt der Coach beim coachen?

Kannicht, Andreas / Schmid, Bernd 2015

„Einführung in systemische Konzepte der Selbststeuerung“

Carl-Auer-Verlag, Heidelberg

 

Wie entsteht – angesichts einer nicht vorsehbaren Inszenierung von (Problem-)Wirklichkeiten durch den Klienten – bei der Beraterin während der Beratung die innere Kommunikation zwischen Fühlen, Denken und Handeln, die zu einer Intervention führen soll, die für den Klienten nützlich ist? Kannicht und Schmid schlagen ein Konzept systemischer Selbststeuerung vor, welches dazu anleitet – oder man sollte sagen – darauf aufmerksam macht, wie die Enge der Problemkonstruktion erweitert und überwunden werden kann.

In ihrem Buch schildern die Autoren einleitend die Geschichte systemischer Beratung, dürfen sie doch für sich in Anspruch nehmen diese Geschichte in der Entwicklung eigener Praxis und Expertise nicht nur erlebt, sondern zu ihrem professionellen Fachdiskurs beigetragen zu haben. Da sich das Geschehen der Beratung und ihre intendierten heilsamen Effekte der Verfügbarkeit des Beraters entziehen, benennen Kannicht und Schmid für ein tieferes Verständnis von systemischer Beratung die Metapher der bildenden Kunst. Damit erläutern sie das Verhältnis zwischen einer technischen Kunstfertigkeit einerseits und einer Ästhetik der Sinnhaftigkeit von Beratung auf einer Meta-Ebene. Kritisch hinterfragen sie, ob der dabei schleichende Kulturimport der eigenen Weltanschauung und der eigenen Deutungskunst überhaupt zur Deutungskunst und Problembearbeitungskunst des Klienten passt?

Gemeinsames Entdecken statt expertenfixierte Verschreibung

 

Wie kann eine Selbststeuerungskompetenz der Beraterin / des Beraters dazu beitragen, dass eben nicht lediglich eine scheinbar therapeutische, expertenfixierte Verschreibung stattfindet sondern ein gemeinsamer Prozess des Verstehens von Dynamiken, Funktionen und des Entdeckens alternativer Handlungsweisen? Dabei distanzieren sich die Autoren selbst von der Idee, die Beraterin / der Berater könne alleine Verantwortung für die Steuerung des Beratungsprozesses übernehmen. Sie geben jedoch gute Hinweise zur Vermeidung einer vom Sinn entblößten mechanistischen Handhabung von Fragetechniken und Tools, die dem Klienten / der Klientin nicht gerecht würden .

Ich erinnere mich an ein Fachgespräch mit dem Pädagogen Richard Münchmeyer über die Intentionen pädagogischer Programme und deren Chance zur Verwirklichung. Er sagte:

Ein schlechter Lehrer realisiert 80% seiner Unterrichtsvorbereitung, ein guter Lehrer realisiert 20%.

Kannicht und Schmid ergänzen die vier klassischen Dimensionen systemischen Arbeitens Theorie, Technik, Haltung und Kontextsensibilität um eine fünfte Dimension, dem Konzept der systemischen Selbststeuerung. Im übertragenen Sinne könnte man sagen, dass sich dieses Konzept darum bemüht die Lücke zwischen einer 20%igen Vorbereitung und einem nicht zufälligen, sondern einem begründeten und orientierten Beratungserfolg zu schließen. Die Autoren scheuen sich nicht davor, ausgetretene Pfade zu verlassen und rehabilitieren in der Erörterung von grundlegenden Vorgehensweisen auch Strategien der Positionierung, des Angebots von Expertise und der Konfrontation. Entscheidend ist dabei nicht nur die Nützlichkeit, sondern die Wahlfreiheit und damit auch die Wahrung der Selbstverantwortung des Klienten. Des Weiteren stellen sie eine Auswahl feldspezifischer Konzepte vor, die Zugänge zu den Themen Problemdefinitionen im Coaching, Perspektiven der Teamentwicklung, Change-Prozesse, Führung und Supervision anbieten. Somit entsteht der Entwurf einer Mulitperspektivität, die der Absicht dienlich sein soll, der Falle der Vereinfachung komplexer Zusammenhänge zu entkommen.

Die Autoren fragen nicht nur danach, was im systemischen Sinne angemessen, nützlich, kompatibel oder anregend ist. Sie führen eine Meta-Ebene der Diskussion der Erschließung des Sinnhaften ein und vermeiden damit erfolgreich, was sich in der Konjunktur des Systemischen leider auch ereignet: Eine spröde und oberflächliche Handhabung systemischer Tools und Erfolgsversprechungen.

Die sich anschließende Darstellung von Steuerungskonzepten höherer Ordnung will darauf aufmerksam machen, daß Betrachtungen, sprich rekonstruierte Wirklichkeiten und zu wählende Konzepte in der Beratung (die ihrerseits Wirklichkeiten erzeugen), aufeinander abgestimmt werden können. Schmid hat hierfür die Steuerungsebenen Praxis, operative Programme und Metaperspektiven beschrieben. Er vertieft diesen Ansatz mit der Erläuterung von Persönlichkeits- und Rollenmodellen, die interdisziplinär anwendbar sind und ohne tiefgehende biographische Aufarbeitungen auskommen und gibt zahlreiche weitere Hinweise zur Erschließung von Perspektiven und Vorgehensweisen. Das Buch ist eher eine Zusammenfassung mit exemplarischen Modellierungen von Interventionen als eine Einführung. Unter bestimmten Aspekten wäre auch von einer Weiterführung zu sprechen.

Fazit

Für die Beginnerin / den Beginner in den Themen Beratung und systemisches Arbeiten dürfte es zunächst schwer lesbar und nachvollziehbar sein, für den bzw. die fortgeschrittene systemische Beraterin / den Berater ist es ein ganz hervorragendes Skript. Eine Landkarte, die dazu einlädt bestimmte Orte aufzusuchen, dort zu verweilen oder weiter zu reisen. Diese Landkarte offenbart zahlreiche Essentials aus der jahrelangen Arbeit von Kannicht und Schmid. Da die Autoren vorschlagen, sich weniger um trennscharfe Definitionen zu bemühen, sondern eher um kernprägnante Beschreibungen, sind beide Termini, Einführung und Zusammenfassung, durchaus passend und nützlich – je nach dem, wie man das Buch nutzen möchte. Für den systemischen Berater, die systemische Beraterin der /die sich weiter professionalisieren möchte, dürfte ein Einstieg oder auch eine gründliche Aufarbeitung in systemische Konzepte der Selbststeuerung über das vorliegende Buch auf jeden Fall lohnenswert sein.

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Rezension veröffentlicht in

systeme – interdisziplinäre Zeitschrift für systemtheoretisch orientierte Forschung und Praxis 1/15

Herausgegeben von
ÖAS – Österreichische Arbeitsgemeinschaft für systemische Therapie und systemische Studien
SG – Systemische Gesellschaft, Deutscher Verband für systemische Forschung, Therapie, Supervision und Beratung e.V.