Schnittstellen oder Schnittmengen managen?

Organisationen leisten sich mitunter einen Referenten für Schnittstellenfragen. Einen Referenten für Schnittmengenfragen sieht man hingegen eher gar nicht. Woran liegt das? Es liegt daran, dass Schnittstellenreferenten schmerzfrei Probleme lösen, aber nicht die Konstruktion des Problems in Frage stellen sollen. Und sie sollen natürlich auch nicht sagen, dass die gegenwärtige Konstruktion immer wieder zu den gleichen Schnittstellenproblemen führen wird. Eine gemeinsame Betrachtung von Schnittmengen müsste hingegen die Frage danach stellen unter welchen Rahmenbedingungen im Umfeld es immer wieder zur Produktion der gleichen Probleme kommt. Diese Betrachtung würde beteiligte Akteure dazu einladen, die Schnittstelle nicht nur aus ihrer üblichen Perspektive zu betrachten, sondern den Standort zu wechseln, die Schnittstelle zu umkreisen und sie auch aus Perspektive der anderen Akteure zu betrachten. „Wie sehen die Anderen meine Schnittstelle und was sollen die Anderen darüber wissen, wie ich ihre Schnittstelle sehe?“

Vorsicht Absturzgefhafr

Gerechtigkeit im Change Management

Change Management -Prozesse in Organisationen sind Anpassungsprozesse der Organisation an veränderte Umweltbedingungen oder Marktbedingungen. Aus reinem Idealismus wird selten etwas geändert. Geht es jedoch um die Überlebensfähigkeit der Organisation wird mitunter sehr viel geändert. Dabei stellt es sich im Veränderungsprozess oft als unvermeidbar heraus, dass Opfer erbracht werden müssen. Um bestimmte Dinge zu erreichen müssen andere bestimmte Dinge aufgegeben werden. Insofern mag Opferbereitschaft Bestandteil eines guten Managements sein – jedoch: Ein gutes Management opfert keine Menschen! Ein erfolgreiches Unternehmen trägt zur Problemlösung aller Beteiligten bei. Jedoch müssen manche größere Opfer bringen als Andere. Vollkommene Gerechtigkeit (Siehe: „Alle müssen gleich sparen“) ist keine belastbare Kategorie für einen Veränderungsprozess; sie wird eine widersprüchliche Utopie bleiben: Zwar ist sie nicht einlösbar und trotzdem darf sie nicht vergessen werden. Am Horizont des Handelns muss immer die Gerechtigkeit leuchten. Und dennoch wird es immer Beteiligte geben, die aus ihrer Sicht den Verlust eines Angebots, die Schließung einer Einrichtung als „(besonders) ungerecht“ und hart erleben werden.

Der Unterschied: Marktorientierte Perspektive versus organisationsorientierte Perspektive

Eine Möglichkeit zur Versachlichung und Erhellung der Diskussion bietet eine vergleichende Vorwärts-/Rückwärtsbetrachtung der Organisation und ihrer Marktbeziehungen an. Man kann eine Organisation zuerst von ihrem Ergebnis her betrachten und alle anderen Aspekte, wie Aufbau, Ablauf, Kultur und Strategie dem nachordnen. Man könnte eine Organisation aber auch zuerst von ihrer Kultur her betrachten und daraus Aufbau, Abläufe und Ergebnisse ableiten:

Marktorientierte Betrachtung
  1. Welches Ergebnis wird gebraucht? Welches Ergebnis soll hergestellt werden? (Ergebnisorientierung)
  2. Welche Funktionen und Prozesse sind dazu in der Lage, solche Ergebnisse herzustellen? (Ablauforganisation)
  3. Welche Strukturen werden benötigt, um solche Funktionen und Prozesse zu ermöglichen? (Aufbauorganisation)
  4. Welche gemeinsamen und unterschiedlichen Grundannahmen gibt es in der Organisation darüber, wie die Märkte funktionieren, wie die Organisation funktionieren sollte? (Kultur und Strategie)
Organisationsorientierte Betrachtung
  1. Welche gemeinsamen und unterschiedlichen Grundannahmen gibt es in der Organisation darüber, wie die Märkte funktionieren, wie die Organisation funktionieren sollte? (Kultur und Strategie)
  2. Von welcher Struktur gehen wir aus, die wir haben? Welchen Standards in der Struktur können wir auf jeden Fall vertrauen und sollen nicht verändert werden? (Aufbauorganisation)
  3. Welche Prozesse und Funktionen würden in einer solchen Struktur gut laufen? (Ablauforganisation)
  4. Welche Ergebnisse lassen sich damit erreichen?

Aus diesen unterschiedlichen Sichtweisen können die Interessensdifferenzen gewonnen und versachlicht werden, die ein Unternehmen braucht, um eine balancierte und konsensfähige Strategie zu erstellen.

 

Effektivität geht auch ohne Opfer

In Mannheim hat das Möbelhaus XXXL 90 Mitarbeitern ohne Vorankündigung aus betriebsbedingten Gründen von heute auf morgen gekündigt und das Licht im Büro ausgeknipst. Stellen Sie sich vor, die Unternehmensleitung hätte auf diesen Schritt verzichtet und stattdessen mit dem Betriebsrat und den Betroffenen in einem Workshop diese beiden Fragenblöcke durchgearbeitet.
Das Ergebnis wären vermutlich effektive strukturelle Veränderungen ohne Opfer und ohne Skandalberichterstattung gewesen. Es ist bedauerlich, dass viele Unternehmen, die als Arbeitgeber auch eine gesellschaftliche Verantwortung tragen, nicht den Mut zu einem kompetenten Change Management haben und nicht erkennen wollen, welche Bedeutung Gerechtigkeit für ein erfolgreiches Unternehmen hat.

Lieber selektiv und wirksam, als alles und Ttial

Change Management: Lieber selektiv und wirksam, als alles und total

Gerät eine Organisation in eine Finanzierungskrise, besteht im Change Management die zuerst gewählte Strategie oft darin, Druck auf das gesamte System auszuüben: Alle müssen sparen. Diese Strategie ermöglicht immerhin noch eine Solidarisierung innerhalb der Organisation, jedoch sind ihre Effekte begrenzt. Irgendwann haben Alle gespart (mehr oder weniger) und das Problem ist immer noch da. Wenn jetzt munter weiter gespart wird, obwohl abzusehen ist, dass die Strategie nicht ausreichen wird, entsteht eine schleichende Beschädigung der von der Organisation geleisteten Arbeit. Die Motivation trocknet im Unternehmen trocknet aus. Plötzlich tritt ein Strategiewechsel im Konsolidierungsprozess ein: Die Arbeitsbereiche werden priorisiert.

Die Priorisierung ist eine verzweifelte Intervention – wenn sie zu spät kommt.

Eine Portfolioanalyse kann Auskunft darüber geben, welche Arbeitsbereiche eigentlich noch mehr oder weniger profitabel und zukunftsweisend. Das Ergebnis wäre eine Folie mit objektivem und rationalem Anspruch, die es möglich macht, über das Unaussprechliche zu sprechen: Was soll geschlossen und beendet werden? Jedoch wäre es sinnvoll die Arbeitsbereiche zumindest in zwei Kategorien aufzuteilen: Die Primärprozesse stellen den eigentlichen Zweck der Organisation her, der ihre Existenz sinnhaft legitimiert. Bei Profit-Organisationen ist es das Produkt, die Dienstleistung, die verkauft wird. Bei Non-Profit-Organisationen ist es die Beratung, die Bildung, Betreuung, Pflege, Begleitung etc. Zu den Supportprozessen zähen alle Handlungen, die die Organisation dazu befähigen sollen, diese Handlungen im Primärprozess herzustellen: Personalmanagement, Buchhaltung, Marketing, Leitung, etc.
Man kann nicht überall gleich sparen. Es gilt eine Konsolidierungsreihenfolge zu definieren und im Projektverlauf immer wieder eine Abstimmung zwischen Maßnahmen in den Primär- und in den Supportprozessen vorzunehmen. Es geht um eine intelligente Selektion. Hier zeigt sich die Widersprüchlichkeit des Aufbaus von Organisationen: Oft sind es leider zunächst die Primärprozesse, die einer Prüfung und Kürzung unterzogen werden müssen. Erst danach kann auch der Overhead umstrukturiert werden. Der umgekehrte Weg bietet sich nur dann an, wenn eine offensichtliche Ineffizienz in den Verwaltungsstrukturen vorliegt. Allerdings ist nach einer erfolgreichen Umstrukturierung nicht alles besser: Eine hohe Effizienz paart sich oft auch mit einer höheren Anfälligkeit für Krisen. Redundante Systeme mit ihren scheinbar überflüssigen Ressourcen sind da besser aufgestellt. Sie verfügen über ein besseres Immunsystem, da sie den Druck von außen auf eine größere Fläche verteilen und daher Krisen besser ausbalancieren können.

Wer überall die Luft rauslässt, atmet nicht mehr richtig.

Der Versuch aus möglichst vielen Funktionsbereichen gleich viel Luft herauszulassen, führt zu einer weiteren schädlichen Nebenwirkung: Interne Funktionen und interne Dienstleistungen werden nicht mehr ausreichend zur Verfügung gestellt. Das Unternehmen beschädigt seine Kompetenz, Dinge zu produzieren, Dienste zu leisten und damit auch seine Fähigkeit sich einem verändernden Markt anzupassen.

Die Alternative: Autonome, vernetzte und befähigte Subsysteme.

Als Alternative empfiehlt es sich darüber nachzudenken, wie die Subsysteme in effektiver miteinander arbeiten können, statt in einer verinselten Umgebung eine platonische Effizienz zu entwickeln (Wir sind hier die, die immer alles richtig machen). Vernetzte und integrierte Steuerungssysteme mit möglichst gegenstandsnahen Bezügen zu dem, was verwaltet werden soll, überwinden ihre isolierte Handlungslogik besser als verschlankte und ansonsten zum Stillstand gekommene Sachgebiete.

Das erfordert einen Paradigmenwechsel sowohl in der Unternehmensstrategie der Konsolidierung, als auch in der Führungskultur:

  • Nicht alles verändern, sondern wenig und ausgewählt verändern.
  • Wenn etwas verändert wird, dann richtig.
  • notfalls auch verzichten.
  • Weg vom Entscheiden und Kontrollieren,
  • hin zum Befähigen, Delegieren, Beauftragen und Unterstützen.

 

Inventar

Transparenz im Change Prozess

Issues inventarisieren statt verdrängen

Menschen, die sich in ihrem Unternehmen mit dem Einstieg in einen Change-Prozess auseinandersetzen müssen, wählen oft zwei Überlebensstrategien: Zum einen wird der Claim definiert und verkündet, der sich auf keinen Fall ändern darf. Ein anderer Claim, der womöglich sogar wichtiger ist, wird versteckt bis die erste Welle der Veränderungsdiskussion durch ist. Vielleicht kann er so gerettet werden, vielleicht wird er aber auch noch als interne Verhandlungsmasse gebraucht und darf nicht zu früh ins Spiel gebracht werden. Die offizielle Spielregel ist die Rationalität. Die inoffizielle Spielregel ist das emotionale Beziehungsgeflecht zwischen den Akteuren.

Alle Akteure in einem Change Prozess weisen Verknüpfungen und Abhängigkeiten in und zur Organisation auf. Sie sind mehr oder weniger befangen. Es gibt keine unabhängigen Akteure, die ausschließlich sachlich, neutral und rational auf den Prozess schauen und ihn steuern. Allerdings unterstreichen alle Akteure üblicherweise Sachlichkeit und Neutralität, wenn es darum geht Veränderungsziele zu definieren. Das führt im Aushandlungsprozess von Veränderungszielen und Interventionen zu Verklärungen, zum Versteckthalten von Motiven und Absichten bis scheinbar günstigere Momente für ihre Offenbarung eintreten.

Was hier geschieht, ist aber nicht weniger als die fortgesetzte Konstruktion eines Dilemmas in der Kommunikation.

Alles, worüber nicht gesprochen wird, aber Relevanz hat, taucht als Blockade im Change Prozess wieder auf.

Glasl prognostiziert sehr ungünstige Auswirkungen auf die Kooperation, wenn ein solches Kommunikationsmuster fortgesetzt wird. Es besteht dann die Gefahr, dass es sich zu einem Konfliktmuster entwickelt. Er rät dazu, die Issues der beteiligten Parteien, also ihre Zielsysteme und Interessensfelder, zu inventarisieren. Damit wird der Verdacht versteckter Motive entlastet und alle wichtigen Interessen erhalten die Chance in einen Klärungs- und Vermittlungsprozess aufgenommen zu werden.

Der Zweck des Spiels in einem Change Prozess besteht also darin, alte Positionen zu behalten oder neue zu bekommen. Es ist kaum vermeidbar, dass dieses Spiel einen Mix aus Verlusten und Gewinnen mit sich bringt. Je kritischer die Erwartung der persönlichen Bilanz ausfällt, desto kritischer dürfte die Bereitschaft zur Unterstützung des Prozesses ausfallen.

An diesem Punkt empfiehlt sich eine offene Aussprache über die folgenden Fragen:

  • Welches Spiel wird hier gespielt?
  • Gelten für alle die gleichen Regeln?
  • Haben alle die gleichen Informationen?
  • Was möchte ich behalten?
  • Was bin ich bereit zu geben?
  • Was möchte ich bekommen?
  • Was ist mir wichtig bei dem, was hier geschehen wird?

Es kommt immer wieder vor, dass Führungskräfte Offenheit und Transparenz eher als ein Risiko für den Prozess empfinden. Werden jedoch alle Motive und Issues gelistet – und wird dabei verdeutlich, dass nichts versprochen, aber über alles geredet wird – entsteht bei den Beteiligten das nötige Vertrauen und vielleicht auch die nötige Resilienz, um die unangenehmen Aspekte des Change Prozesses ertragen zu können.

Zum Weiterlesen:

Glasl, Friedrich „Konfliktmanagement“ 2002 Bern Stuttgart Wien

Partizipative Personalentwicklung

Partizipative Personalentwicklungsgespräche

Wie man Personalentwicklung umsetzbar machen kann

Organisationen und Unternehmen, die sich heute mit einer großen Arbeitsverdichtung oder einem sehr dynamischen Umfeld und schnell verändernden Marktbedingungen auseinandersetzen müssen, brauchen Personalentwicklungskonzepte, die

  • keine Zeitfresser sind,
  • sich schnell umsetzen lassen,
  • das Mitdenken, die Mitverantwortung, die Kreativität und das Unternehmertum von Mitarbeitenden fördern.
  • die aktuellen Trends in der Entwicklung der Lebenswelten und der Märkte (Stichworte: Globalisierung, Demographische Entwicklung, Digitalisierung) aus eigener Anschauung aufgreift und für Lösungsansätze kommunizierbar macht.

Es werden Konzepte gebraucht, die Menschen darin fördern, sich selbst zu entwickeln. Das Konzept der partizipativen Personalentwicklungsgespräche setzt diese Anforderungen um. Es eignet sich zudem besonders für Organisationen, die eine Arbeit leisten, die stark an ethischen und gesellschaftlichen Vorgängen und Werten orientiert sind, wie Dienstleister für Kommunikation, Marketing, Gesundheit, Bildung oder Soziales. Die Situation von Mitarbeitenden mit unterschiedlichen Hintergründen der Beschäftigung, wie Vollzeit, Teilzeit, befristet, unbefristet, Werkverträge, Honorarverträge kann im Design des Workshops berücksichtigt und integriert werden.

Dieses Konzept besteht aus einem Gesprächsleitfaden, der aus dem Funktionsbegriff in der Professionellen Prozessberatung nach Glasl und von Sassen entworfen und in meiner eigenen beraterischen Praxis weiterentwickelt wurde.

Ein systemischer Gesprächsleitfaden als partizipatives Entwicklungstool

Der Gesprächsleitfaden enthält sieben Schwerpunktthemen mit Unterfragen, die als Anregung für eine Reflexion zur Verfügung stehen.

  • Der Auftrag des Unternehmens, der Abteilung, des Teams, der Person
  • Die individuellen und personenbezogenen Aufgaben / Tätigkeiten,
  • die eigene Rolle im Team / im Unternehmen,
  • Verantwortung für die Unternehmung / für sich selbst,
  • Kompetenzen,
  • Visionen,
  • die nächsten Schritte

Dieser Gesprächsleitfaden kommt bei einem Workshoptag (oder an zwei bis drei halben Tagen) mit X TeilnehmerInnen zur Anwendung.

Ein Exposée als pdf steht hier zum Download zur Verfügung:

Partizipative Personalentwicklungsgespräche

Komplexitaet

„Komplexitaet verstehen statt reduzieren“ als eine neue Führungsaufgabe

Immer öfter überraschen alltägliche Geschäftsvorfälle mit ihrer Komplexität. Die Komplexität zeigt sich, sobald der erste Lösungsversuch weit vor dem Ziel stecken bleibt und das ursprüngliche Vorhaben zunächst andere Maßnahmen verlangt, bevor man sich wieder der Tagesordnung widmen kann. Komplexität lässt sich nicht vereinfachen – lediglich die Betrachtung des Geschäftsvorfalls oder des Gegenstandes kann vereinfacht werden. Das System selbst bleibt komplex.

Eigentlich bieten sich zwei Lösungen an:

  • Man könnte versuchen die Komplexität zu reduzieren. Das Risiko dieser Idee lautet: Es könnte etwas übersehen werden.
  • Man könnte Komplexität erweitern. Der Nachteil: Man schaufelt sich mit Details und Banalitäten den Kopf zu.

 

Komplexität muss an den richtigen Stellen reduzieren oder erweitert werden, um sie managen zu können.

Das bedeutet in der Praxis: Die Expertenebene unterhalb der Führungsebene muss Komplexitaet möglichst soweit aufarbeiten, dass der Führung zeitraubende Kenntnisnahmen erspart bleiben. Der Schlüssel im Umgang mit Komplexitaet ist jedoch nicht das Abarbeiten, sondern das Verstehen. Daher muss auch die Führung an den richtigen und ausgesuchten Stellen ihre Auseinandersetzung mit Komplexitaet leisten, indem sie Komplexitaet erweitert, statt diese zu delegieren. Aber auch diese Strategie stößt schnell an ihre Grenzen.

 

Das Dilemma der Komplexitaet erfordert einen Paradigmenwechsel beim Führen

In komplexen Vorgängen wohnen Sachzwänge, deren Aufarbeitung oft einen deutlich kleineren Entscheidungsspielraum zulässt, als die Führung eines Systems es sich wünschen würde. Konflikte in Veränderungsprozessen bestehen daher nicht selten im Ringen um eine Plausibilität der Expertenmeinung, die nur kleine Lösungen anbieten kann, während die Führung als politisches System der Organisation in der Herausforderung steht, „große“ Lösungen anbieten zu müssen. Das kann auch umgekehrt der Fall sein: Das interne Expertensystem schlägt weitreichende und entschiedene Lösungen vor, während das politische System eher den Status Quo möglichst lange aufrechterhalten möchte. Wimmer weist zu Recht darauf hin, dass die Erhöhung der Eigenkomplexitaet zu Konsequenzen für die Wahrnehmung von Führungsfunktionen haben müsse.[1] „Der Zuwachs an interner Komplexität erreicht relativ rasch einen Punkt, an dem er die Steuerungspotenz zentralisierter Hierarchien überfordert.“[2]

Führen bedeutet in dieser Perspektive nicht mehr die Ausübung des Direktionsrechts, sondern das Management von Kooperationsbeziehungen und der Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Experten-Sub-Systemen. Beginnen diese dann ihre eigene Funktionslogik zu hinterfragen und mit anderen Subsystemen abzugleichen, öffnet sich eine Chance für das Gelingen. Ellebracht und Saur ergänzen: „Komplexitaet kann gelenkt werden durch Vielfalt, verteilte Intelligenz und intelligente, vernetzte Entscheidungsprozesse.“[3]

 

Zum Weiterlesen:

Ellebracht, Heiner und Saur, Frank „Führen in schwierigen Zeiten“ 2014 Wiesbaden

Wimmer, Rudolf „Organisation und Beratung – systemtheoretische Perspektiven für die Praxis“ 2012 Heidelberg

[1] vgl. WIMMER 2012:106 ff.

[2] dito 2012:107

[3] Ellebracht, Saur 2014:21

Change Management

Change Management – Aus der Praxis gesehen

Essentials im Change Management

Zahlreiche Beiträge zum Thema der Veränderungsprozesse oder zum Change Management nehmen eher theoretische Standpunkte ein. Wenn diese Beiträge mit praktischer Erfahrung fundiert sind, sind es wiederum eher externe Standpunkte, von welchen aus der Veränderungsprozess beobachtet wird; so zum Beispiel der Standpunkt des Wissenschaftlers oder des Unternehmensberaters.

Das Bild der Organisationsentwicklung hat sich in den letzten Jahren zunehmend gewandelt. War es vor vielleicht 20, 30 Jahren noch stark von der Idee des Aufbaus und Wachstums einer Organisation geprägt, so stellt sich heute in aller Regel eher die Frage, wie bei einem weitestgehenden Erhalt der bekannten Leistung ein notwendiger und vertretbarer Umbau und Rückbau der tragenden Strukturen erfolgen kann.

Dieser Artikel „Innensichten bei Veränderungen“ beschreibt einen Veränderungsprozess aus der Sicht eines internen Experten, der in einem Wohlfahrtsverband mit der Koordination eines Perspektivprozesses beauftragt ist. Der Artikel entsteht also aus einer Art Binnensicht der Organisationsentwicklung und versucht praktische Erfahrungen (auch) theoretisch zu fundieren und zur Diskussion zu stellen.

Innensichten bei Veränderungen

Rezension: Capacity Works (Kooperationsmanagement)

Rezension zur Buchveröffentlichung

„Kooperationsmanagement in der Praxis – Gesellschaftliche Veränderungen gestalten mit Capacity WORKS“

Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH

Die Managementautoren Glasl, Morgan, Probst machten bereits vorüber 20 Jahren darauf aufmerksam, dass die Wechselbeziehungen zwischen Organisationen und Markt genau jene Umweltbedingungen von Organisationen herstellen, die sowohl Chance als auch finales Risiko bedeuten. Damit lieferte man den Hinweis die Ökonomie als ein komplexes ökologisches System zu verstehen, in welchem einseitige Gewinnerstrategien kurzfristig erfolgreich sein mögen aber langfristig eher mehr neue Probleme generieren, als bekannte Probleme zu lösen. Es stellt sich die Frage, wie Organisationen nicht nur im Gewinner-Modus agieren können, sondern wie sie in Kooperationen zu gesellschaftlichen Problemlösungen beitragen können. Hinzu kommt, dass die zunehmende Komplexität gesellschaftlicher Herausforderungen kaum einer Organisation die Möglichkeit belässt, im vollständigen Alleinstellungsmerkmal die eigenen Produkte oder Dienstleistungen zu platzieren oder Absichten zu realisieren:

Ohne Kooperationen kommt man nicht mehr weiter.

Genau hier setzt das Buch „Kooperationsmanagement in der Praxis – Gesellschaftliche Veränderungen gestalten mit Capacity WORKS“ der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit an. Es weitet den fixierten Blick der üblichen Handlungsansätze des Managements im „eigenen Haus“ auf das Zusammenspiel unterschiedlicher Akteure, deren Beiträge in Bezug auf eigene Zielsetzungen verständlicherweise nicht nur wertvoll, sondern auch widersprüchlich sein können. Die Autoren lenken daher die Aufmerksamkeit auf Ziele, Wirkungen, Haltungen und Tools. Sie langweilen nicht mit einem Best-Practice-Katalog und stellen auch keine erfolgversprechenden Methoden zur Verfügung. Vielmehr führen die richtigen Fragen, die zum richtigen Zeitpunkt gestellt werden, zu den Antworten, die die nächsten Schritte aufzeigen. Dabei verpflichten sie sich zur Entwicklung, Umsetzung und Auswertung von Strategien und lassen erkennen, dass ihre Vorgehensweisen auf soliden Erfahrungen aus der Praxis des Managements von Kooperationen beruhen. „Capacity Works“ benennt fünf Erfolgsfaktoren: Strategie, Kooperation, Steuerungsstruktur, Prozesse, Lernen und Innovation. Sie werden theoretisch fundiert wie auch praxisorientiert vorgestellt und mit einer Toolbox ergänzt, deren Handhabung nicht zufällig an bereits bewährte Management–Modelle wie SIX-SIGMA, TQM oder EFQM erinnert. Dabei erhalten beispielsweise bekannte Tools, wie die SWOT-Analyse nicht nur ein neues Design, sondern auch ein neues Potenzial von Anregungen für die Anwendung.

 Eine Veränderung, die man zusammen mit Anderen auf ein gemeinsam getragenes Ziel richtet, verändert immer auch die eigene Organisation, vielleicht sogar das eigene Selbst – etwa in Form eines Lernergebnisses, einer Zunahme eigener Kompetenzen.

Es mag kein Zufall sein, dass die englische Metapher „Capacity WORKS“ daran erinnert, dass vorhandene Kapazitäten gut arbeiten, wenn sie denn auch gut organisiert werden. Dabei hebt sich die Arbeit der Autoren eindeutig von omnipotenten Phantasien der breitgetretenen Management-Kassenschlager ab und besinnt sich auf seriöse und schlichte Erkenntnisse eines funktionalen Managements.

Wer das beherzigt, vermag eventuell dem Kassandra-Ruf von Dirk Baecker zu entgehen:

„Einen Großteil der Veränderungen, die sich in unserer Gesellschaft abspielen, können wir blockieren, in dem wir die Organisationen daran hindern, sich zu ändern. Dann und nur dann wird die Organisation zum unentrinnbaren Alptraum der Gesellschaft.“

„Capacity WORKS“ stellt für die Entwicklung von Organisationen und ihrer Kooperationen, relevante und aussichtsreiche Beiträge zur Verfügung. Es ist ein Buch, das Hoffnung macht – sowohl für das Aufspüren von Lösungswegen für die drängenden Probleme der Zivilgesellschaft als auch für die immer wieder ins Stocken kommende Diskussion um eine Professionalisierung des Managements.

 

http://www.giz.de/fachexpertise/html/4620.html

Kriegskasse

Die Kriegskasse muss stimmen – Aber: Es gibt keinen Krieg der stimmt!

Sinn und Unsinn der Kriegsmetapher in Veränderungsprozessen

Am Rande einer Tagung über Veränderungsprozesse hörte ich aus dem Munde eines erfahrenen Vorstandsmitglieds eines Wohlfahrtsverbands dieses leidgeprüfte und schlichte Zitat über die Umstrukturierungen im eigenen Unternehmen: „Die Kriegskasse muss stimmen!“

Offensichtlich hält ein Veränderungsprozess viele kleine Scharmützel bereit, die mit Kriegsereignissen verglichen werden: Gutachten, Expertisen, Diskussionen, Dekrete, Abfindungen werden wie Attacken, Tretminen, Kesselschlachten, Attentate und Reparationen empfunden. Sobald die Kriegskasse geöffnet wird, endet das argumentative Aushandeln um Konzessionen und Widerstände, das Feilschen um Rationalität und Wahrhaftigkeit wird ausgesetzt, der Kampf um Veränderung wird mit Geld entschieden. Tatsächlich zählt die Annahme, dass Veränderung nichts kosten darf, zu den großen und dramatischen Irrtümern von Akteuren in Veränderungsprozessen.

Eine Kriegskasse ist eine Finesse.

Zur Finesse eines Veränderungsprozesses zählt sogar die vorübergehende Finanzierung von Redundanzen und Kapazitäten, die im Normalbetrieb eigentlich überflüssig werden. Das kann notwendig werden, um den Betrieb überhaupt bei laufendem Motor umbauen zu können. Also sollte die „Kriegskasse“ gut gefüllt sein. Bis hierhin wäre die Metapher noch nützlich. Die Kriegsmetapher beinhaltet aber auch die Eigenschaft, dass Mitglieder der Organisation zu Opfern werden könnten. Solche Veränderungen werden mit Gewalt gegen existenzielle Interessen durchgesetzt und vollzogen.

Selbst wenn die Kriegskasse stimmt, so stimmen die Ergebnisse des Krieges nicht.

Die Folgen des Krieges sind Schäden, die unheilbar sind. Und was noch heilbar sein mag, erweist sich als kaum bezahlbar. Das ist nicht das Strickmuster von Veränderungen, die nachhaltig erfolgreich sind. Diese setzen hingegen darauf bereits in einem frühen Stadium für den Nutzen von Veränderung einzutreten und möglichst viele Beteiligte zu Gewinnern zu machen. Schließlich sorgen einseitige Gewinne und einseitige Verluste schnell dafür, dass Konflikte neu aufflammen und dass in den Staub getreten wird, was in positiven Veränderungen bereits erreicht wurde. Diese Erkenntnis hat Erich Fried in einem Vierzeiler zusammengefasst. Er schrieb:

Ich bin der Sieg.
Mein Vater war der Krieg,
der Friede ist mein lieber Sohn,
der gleicht meinem Vater schon.

Beschlüsse sind Errungenschaften

Beschlüsse sind Errungenschaften

Geraten Organisationen unter Veränderungsdruck, machen sich ihre Mitglieder auf die Suche nach Lösungen. Leider ist es eher selten der Fall, dass einfache Lösungen zur Verfügung stehen. Meistens muss massiv in die Interessen von Beteiligten eingegriffen werden, die sichtbaren Probleme lassen sich offensichtlich nur mit deutlicher Anstrengung bewältigen.

In einem Veränderungsprozess, in dem widersprüchliche Interessen ausgehandelt werden müssen, sind Beschlüsse Errungenschaften.

Das gilt insbesondere, wenn es harte oder schwierige Beschlüsse sind. Sie sollten, wenn sie auf Grund von sorgfältigen Analysen getroffen sind, hartnäckig verteidigt und schnellstmöglich umgesetzt werden. Kurzfristig beobachtbare günstige Entwicklungen der Rahmenbedingungen oder überraschende kleine Erfolge verführen oft dazu, harte Beschlüsse in Frage zu stellen oder sie weniger konsequent umzusetzen, als sie ursprünglich beschlossen wurden. Sie werden langsam abgetragen, aufgeweicht, erodiert. Manche Manager offenbaren sogar eine gewisse Spieler-Mentalität. Kleine Gewinne werden beim nächsten Game sofort wieder einem hohen Risiko ausgesetzt, anstatt in eine nachhaltige Sanierung zu investieren. Die Ergebnisse einer verantwortlichen Steuerung zeigen sich aber langfristig, nicht kurzfristig. In einem Konsolidierungsprozess ist es nicht empfehlenswert, im Blick auf überraschende Schön-Wetterlagen große Kurskorrekturen vorzunehmen. Der Management- Autor Senge warnt davor, sich auf Möglichkeiten einzulassen, die die Entwicklung des Unternehmens kurzfristig besser aussehen lassen. Die Dinge verbessern sich, bevor sie sich dann wieder rapide verschlechtern. Es entsteht ein Rückkopplungseffekt, der oft genug eine größere Version des altbekannten Problems präsentiert. Daher: Beschlüsse sind Errungenschaften. Man sollte sie nicht leichtfertig aufgeben. Wie immer gibt es Ausnahmen: Wenn eine bessere Analyse ein anderes Vorgehen empfiehlt. Das wäre dann aber begründet und nicht leichtfertig.