Wie kommt es überhaupt dazu, dass man im Management über Führungsstile diskutiert? Die ersten Managementtheorien des 19. Jahrhunderts (die klassische Managementtheorie nach Fayol und anderen, sowie das wissenschaftliche Management nach Taylor) favorisierten ein Maschinenmodell der Organisation, worin die Störanfälligkeit des zur Arbeit unmotivierten Menschen eine der großen zu bewältigenden Herausforderungen darstellte. Das Hawthorne-Experiment der 1920er Jahre sollte Aufschluss darüber bringen, wie sich Licht auf die Produktivität von Arbeitern auswirkt. Ergebnis: Die Lichtmenge war nebensächlich, hingegen hatte das Interesse der Wissenschaftlicher an den Arbeitsbedingungen der Arbeiter einen erheblichen und positiven Einfluss auf deren Produktivität. Damit war eine große Erkenntnis und gleichzeitig ein großer Irrtum geboren. Die Erkenntnis: Die Berücksichtigung menschlicher Bedürfnisse hat offenbar einen großen Einfluss auf Produktivität. Die Wurzeln der Human-Relations-Bewegung der 1950er und 60er Jahre waren gelegt. Der Irrtum: Es ist nicht der menschliche Führungsstil, der die Produktivitätsbedingungen prägt. Es sind die Umweltbedingungen der Organisation, die ihrer Produktivität Bedingungen abverlangen, die zu Menschlichkeit (oder Unmenschlichkeit) führen. Das Wissen über diesen Irrtum ist nicht sehr weit verbreitet und hat insofern den Mainstream der Management-Diskussion nicht davon abhalten können, typische Führungsstile zu beschreiben und zu bewerten: Autorität, Laissez-Faire, Kooperativ, vielleicht auch situativ. Das ist interessant. Jedoch wird bis heute die Führungsstildiskussion in ihrer Bedeutung überschätzt. Sprenger wies 1991 darauf hin, dass Motivierung über extrinsische Motivation regelmäßig erodiert. Das entspräche dem Versagen von Führung überhaupt – sofern sie als Überredungskunst der Motivation verstanden wird.
Malik wendet sich in „Führen, Leisten, Leben“ (2000) gegen eine Psychologisierung und Therapeutisierung des Führens und Leitens. Er beschreibt den Begriff der wirksamen Führung, die dann entstünde, wenn jemand den Führungsstil pflege der authentisch zu seiner Person passe. Das dürfe dann auch ein autoritärer, nicht aber ein despotischer und machtbesessener Führungsstil sein.
Fröse schreibt 2009 in einem Essay, es sei heute in Auswertung der relevanten Managementliteratur eigentlich nach wie vor vollkommen unklar, welche Persönlichkeitseigenschaften von Führungspersönlichkeiten eine erfolgreiche Führung garantieren. Leider waren mitunter die größten Despoten erfolgreich, wohingegen viele menschenfreundliche Soft-Skills-Experten (un)spektakulär scheiterten. Auch Fröse resümiert: Es geht um authentisches und integeres Handeln in komplexen und widersprüchlichen Situationen, welches mühsam erworben werden muss (Leadership-Diskurse: Neue Herausforderungen für Führung und Leitung).
⇒ Den eigenen, optimalen Führungsstil entwickelt frau/man nicht aus sich selbst heraus, auch nicht durch das „Nachahmen“ bekannten Führungsverhaltens, sondern in professioneller Reflexion der eigenen Lernprozesse, die zum „Führen“ führen.