Kriegskasse

Die Kriegskasse muss stimmen – Aber: Es gibt keinen Krieg der stimmt!

Sinn und Unsinn der Kriegsmetapher in Veränderungsprozessen

Am Rande einer Tagung über Veränderungsprozesse hörte ich aus dem Munde eines erfahrenen Vorstandsmitglieds eines Wohlfahrtsverbands dieses leidgeprüfte und schlichte Zitat über die Umstrukturierungen im eigenen Unternehmen: „Die Kriegskasse muss stimmen!“

Offensichtlich hält ein Veränderungsprozess viele kleine Scharmützel bereit, die mit Kriegsereignissen verglichen werden: Gutachten, Expertisen, Diskussionen, Dekrete, Abfindungen werden wie Attacken, Tretminen, Kesselschlachten, Attentate und Reparationen empfunden. Sobald die Kriegskasse geöffnet wird, endet das argumentative Aushandeln um Konzessionen und Widerstände, das Feilschen um Rationalität und Wahrhaftigkeit wird ausgesetzt, der Kampf um Veränderung wird mit Geld entschieden. Tatsächlich zählt die Annahme, dass Veränderung nichts kosten darf, zu den großen und dramatischen Irrtümern von Akteuren in Veränderungsprozessen.

Eine Kriegskasse ist eine Finesse.

Zur Finesse eines Veränderungsprozesses zählt sogar die vorübergehende Finanzierung von Redundanzen und Kapazitäten, die im Normalbetrieb eigentlich überflüssig werden. Das kann notwendig werden, um den Betrieb überhaupt bei laufendem Motor umbauen zu können. Also sollte die „Kriegskasse“ gut gefüllt sein. Bis hierhin wäre die Metapher noch nützlich. Die Kriegsmetapher beinhaltet aber auch die Eigenschaft, dass Mitglieder der Organisation zu Opfern werden könnten. Solche Veränderungen werden mit Gewalt gegen existenzielle Interessen durchgesetzt und vollzogen.

Selbst wenn die Kriegskasse stimmt, so stimmen die Ergebnisse des Krieges nicht.

Die Folgen des Krieges sind Schäden, die unheilbar sind. Und was noch heilbar sein mag, erweist sich als kaum bezahlbar. Das ist nicht das Strickmuster von Veränderungen, die nachhaltig erfolgreich sind. Diese setzen hingegen darauf bereits in einem frühen Stadium für den Nutzen von Veränderung einzutreten und möglichst viele Beteiligte zu Gewinnern zu machen. Schließlich sorgen einseitige Gewinne und einseitige Verluste schnell dafür, dass Konflikte neu aufflammen und dass in den Staub getreten wird, was in positiven Veränderungen bereits erreicht wurde. Diese Erkenntnis hat Erich Fried in einem Vierzeiler zusammengefasst. Er schrieb:

Ich bin der Sieg.
Mein Vater war der Krieg,
der Friede ist mein lieber Sohn,
der gleicht meinem Vater schon.

Beschlüsse sind Errungenschaften

Beschlüsse sind Errungenschaften

Geraten Organisationen unter Veränderungsdruck, machen sich ihre Mitglieder auf die Suche nach Lösungen. Leider ist es eher selten der Fall, dass einfache Lösungen zur Verfügung stehen. Meistens muss massiv in die Interessen von Beteiligten eingegriffen werden, die sichtbaren Probleme lassen sich offensichtlich nur mit deutlicher Anstrengung bewältigen.

In einem Veränderungsprozess, in dem widersprüchliche Interessen ausgehandelt werden müssen, sind Beschlüsse Errungenschaften.

Das gilt insbesondere, wenn es harte oder schwierige Beschlüsse sind. Sie sollten, wenn sie auf Grund von sorgfältigen Analysen getroffen sind, hartnäckig verteidigt und schnellstmöglich umgesetzt werden. Kurzfristig beobachtbare günstige Entwicklungen der Rahmenbedingungen oder überraschende kleine Erfolge verführen oft dazu, harte Beschlüsse in Frage zu stellen oder sie weniger konsequent umzusetzen, als sie ursprünglich beschlossen wurden. Sie werden langsam abgetragen, aufgeweicht, erodiert. Manche Manager offenbaren sogar eine gewisse Spieler-Mentalität. Kleine Gewinne werden beim nächsten Game sofort wieder einem hohen Risiko ausgesetzt, anstatt in eine nachhaltige Sanierung zu investieren. Die Ergebnisse einer verantwortlichen Steuerung zeigen sich aber langfristig, nicht kurzfristig. In einem Konsolidierungsprozess ist es nicht empfehlenswert, im Blick auf überraschende Schön-Wetterlagen große Kurskorrekturen vorzunehmen. Der Management- Autor Senge warnt davor, sich auf Möglichkeiten einzulassen, die die Entwicklung des Unternehmens kurzfristig besser aussehen lassen. Die Dinge verbessern sich, bevor sie sich dann wieder rapide verschlechtern. Es entsteht ein Rückkopplungseffekt, der oft genug eine größere Version des altbekannten Problems präsentiert. Daher: Beschlüsse sind Errungenschaften. Man sollte sie nicht leichtfertig aufgeben. Wie immer gibt es Ausnahmen: Wenn eine bessere Analyse ein anderes Vorgehen empfiehlt. Das wäre dann aber begründet und nicht leichtfertig.

Mut zur Unsicherheit

Ein Veränderungsprozess braucht den Mut zur Unsicherheit

Ein Change-Prozess führt Beteiligte und Betroffene an – wenn nicht über die Grenzen des bisher Vorstellbaren. Dinge, die man für unveränderbar, unaufgebbar gehalten hat, werden in Frage gestellt oder hören auf zu existieren. Oft wird hierzu ein Ausgleich, Kompensation oder Rettung in Aussicht gestellt, obwohl aktuell nicht klar ist, auf welche Wege man sich begibt, welche Rettung gemeint ist und ob sie überhaupt kommt.

Ein Veränderungsprozess öffnet für viele Beteiligte existenzielle Sinnfragen.

Aber Antworten, die überzeugen, können nicht immer gleich zur Verfügung gestellt werden. Eine der großen Herausforderungen in Change Management Prozessen besteht daher darin, Sprachlosigkeit an Punkten zu überwinden, wo es noch nichts Zuverlässiges oder Belastbares zu sagen gibt. In einem Change Prozess, der eben auch ein Konsolidierungsprozess ist, müssen tatsächlich das eine oder andere Mal Opfer gefordert werden, ohne dass eine Entschädigung oder Kompensation angeboten werden kann. Unter dem Strich wird klar: Veränderung bedeutet heute nicht nur Zukunftsfähigkeit, Erfolg, Vision oder ein „Mehr“, sondern auch Abschied, Eintritt ins Ungewisse, Verzicht, Verlust.

Die Aufgabe der Führung kann dann bedeuten: Sicherheit geben, wo Sicherheit garantierbar ist und sich zur Unsicherheit bekennen, wo zunächst keine Sicherheit herstellbar ist. Zu den verhängnisvollen Fehlern in Veränderungsprozessen gehören Versprechen, die nicht einlösbar sind und die Sprachlosigkeit in Schweigen zu zementieren. Den Mut zu haben, sich zu gegebener Unsicherheit bekennen zu können, bedeutet die Übernahme von Verantwortung, die aus der Misere führen kann.

Optimale Frustration

Veränderung braucht optimale Frustration

Warum verändern sich die Dinge manchmal langsam oder gar nicht, obwohl man meint, es schreit geradezu nach einer Veränderung?

Manchmal erscheint es für Außenstehende gerade zu als irrational, genauso weiterzumachen und das Problem zu fixieren, während es für die „Innenstehenden“, also die Betroffenen, durchaus Sinn zu machen scheint, genau so weiterzumachen, wie bisher.

„Eine häufige Ursache irrationalen Verhaltens ist die Tatsache, dass Menschen dazu neigen, die zukünftigen Folgen ihrer Handlungsalternativen nicht miteinander zu vergleichen, sondern an ihrem Status Quo… Dieser ist jedoch per definitionem in der Zukunft überholt.“ ( Wolff, Lazear 2001:32)

Wenn Veränderung eine sichere Sache wäre, wäre das vielleicht einfacher.

Aber es gibt keine Veränderung die vollkommen sicher ist. Sie fordert immer irgendwo das Aufgeben von Sicherheiten ein, obwohl das „Neue“, ein vollwertiger Ersatz für das „Alte“, noch nicht da ist. Wenn man Veränderung will, muss man sich stückweise auch auf das Chaos einlassen.

„Menschen fürchten nichts mehr als das Chaos und darum wählen sie eine Ordnung auch dann, wenn sie quälend ist.“ (Schlippe, Schweitzer 2010:10)

Wer das Chaos scheut, scheut damit im Grund auch jede Form möglicher Frustration.

In der psychoanalytischen Konzeption ist die optimale Frustration eine gelungene Grunderfahrung des erwachsenen und frustrationstoleranten Menschen. Als Kind hat er die grundlegende Erfahrung gemacht, dass Bedürfnisse und Wünsche mit einem vertretbaren Aufwand und der eigenen Kompetenz erreichbar sind, dass Probleme mit der eigenen Kraft gemeistert werden können. Menschen, die diese Erfahrung nicht machen konnten, weil sie entweder immer durch Misserfolg frustriert wurden oder anstrengungsfrei und investitionslos alles bekamen, was sie wollten, wären danach suboptimal frustriert.

Wer sich auf Veränderung einlassen möchte, muss sich auch auf kritische Chancen und kritische Erfolge einlassen. Das gilt für persönliche Veränderung als auch für Veränderungen, die man als Mitglied sich verändernder Organisationen erlebt.

Man erwartet natürlich Schwierigkeiten, aber nicht unbedingt da, wo sie dann tatsächlich auftreten. Mehr als einmal kann es vorkommen, dass Erfolge an anderer Stelle wieder ein klein wenig abgetragen oder in Frage gestellt werden. Auch das Tempo, der Elan, die Begeisterung, die Energie sind Eigenschaften, die nicht zu jedem Zeitpunkt unbegrenzt oder stetig im Veränderungsprozess zur Verfügung stehen. Tritt ein Stillstand oder eine Verlangsamung ein, entsteht bei dem oder den Handelnden oft der Eindruck, sie befänden sich wieder im freien Fall, obwohl sie sich eigentlich nur in einer Plateauphase befinden.

Dann hilft es einen Schritt zurückzutreten und den Prozess in Gänze aus einer gewissen Distanz heraus zu betrachten, um sich auf der eigenen Landkarte neu verorten zu können. Externes Feedback aus Coaching oder Unternehmensberatung unterstützen die Einübung von distanzierten Sichtweisen. Man kann wieder Land gewinnen, den Boden unter den Füssen, neue Handlungsspielräume entdecken.

Frustrationstoleranz bedeutet nicht die Abwesenheit von Frustration, sondern das Aushalten können von frustriert sein.

Die psychoanalytischen Konzepte sagen: Das ist schon ein Manko, wenn man das als Kind nicht gelernt hat. Die systemischen Konzepte sagen: Dann lass uns heute damit anfangen, das zu verändern!

 

Zum Weiterlesen:

 

Schlippe / Schweitzer 2010 „Systemische Interventionen“

Wolff / Lazear 2001 „Einführung in die Personalökonomik“

Senge 1998 „Die fünfte Disziplin“ – hier das Konzept „Personal Mastery“

Veränderung in Balance

Veränderung in Balance – warum Einseitigkeit scheitert…

Change Management Splitter I

Wenn heute in Organisationen Veränderungen stattfinden sollen, wird sehr oft eine technisch-administrative Herangehensweise bevorzugt. Sie hat den Vorteil, dass sie Situationen klärt und Unsicherheiten strukturiert. Sie kann die relevanten Schlüsselprozesse in der Organisation definieren, die die entscheidenden Beiträge zum Überleben liefern. An diese Strategie wird oft die Erwartung geknüpft, es gäbe noch den berühmten Kniff, den Trick, die unumstößliche Weisheit, die zu einem Optimum an Effizienz führt und die Rettung bringt. Mitunter werden Unternehmensberatungen händeringend bekniet, dieses Geheimwissen zur Verfügung zu stellen. Andere Berater werben verführerisch mit der Ansage, 40% Einsparung seien immer drin. Damit sind die Erwartungen an technisch-administrative Strategien der Veränderung allerdings weit überzogen. Die beiden Management-Autoren French und Bell teilen hierzu mit:

  • Veränderungsstrategien, die lediglich
    • technisch-administrativ sind, scheitern, weil sie die normativen Aspekte der Organisation (Gefühle, Werte, Kultur, Verständnis, Identität) nicht berücksichtigen.
    • normativ-reedukativ (werteorientiert und „umerzieherisch“) sind, scheitern, weil sie die Definition von Schlüsselprozessen vermeiden.

In systemischer Perspektive ließe sich hier von zwei grundlegenden Subsystemen in der Organisation sprechen. Das technisch-administrative System und das Kultur- und Wertesystem. Das technisch-administrative System würde sich beispielsweise das Organigramm und die Entscheidungsabläufe anschauen und notwendige Veränderungen mit Rationalität begründen. Das Kultur- und Wertesystem würde hingegen eher nach Identität, Selbstverständnis, Motivation und Zielhorizonten und stellt zwei Veränderungsideen von unschätzbarem Wert zur Verfügung. Sie heißen Wertschätzung der bisherigen Lösungsversuche und Verabschiedung von diesen.

Mit diesen beiden Subsystemen wird eines von zahlreichen Konzepten beschrieben, Organisationen anhand ihrer relevanten Subsysteme zu deuten Organigramme und Qualitätsmanagement-Modelle betonen üblicherweise die rationalen Sichtweisen, während es wiederum auch ganzheitliche und sehr differenzierte Beschreibungen gibt, wie das systemisch-evolutionäre Modell nach Fritz Glasl.

Danach durchlaufen Organisationen bestimmte Entwicklungsphasen, die je unterschiedliche Führungskonzepte und Strategien für Veränderung und Weiterentwicklung benötigen. Aus diesem Grund gibt es keine ultimative Managementmethode. Was im einen Fall „best practice“ sein kann, kann im anderen Fall das Scheitern beschleunigen, ebenso wie die Einseitigkeit von Strategien.

Zum weiterlesen:

French, Wendell L. und Bell, Cecil H. jr. „Organisationsentwicklung“ 1990 Bern Stuttgart Wien

Glasl, Friedrich; Lievegoed Bernardus C. J. „Dynamische Unternehmensentwicklung: Grundlagen für nachhaltiges Change Management“ 2004 Bern Stuttgart Wien

Digital Poem - virtuelle Organisation der Gefühle

Digital Poem – die virtuelle Organisation der Gefühle

Ein Interpretationsversuch über eine Matratze am Straßenrand

Zu „liken“ bedeutet fast schon zu „lieben“ in einer Welt voller Hass.
Aber es ist auch möglich zu „liken“, weil man es liebt zu hassen.
Der Mensch hält sich zwischen diesen Möglichkeiten auf. Am unteren Ende der Komfort-Zone.

Der Begriff „to like“ hat seine Bedeutung verändert. Die Verwendung des Wortes informiert nicht nur darüber, dass man etwas mag. Es bedeutet immer auch die Veröffentlichung des „Mögens“ wenn nicht sogar der Zurschaustellung. Hingegen gibt es kein „Unlike“ oder kein „Dislike“, obwohl es nur zu menschlich ist, andere Dinge oder auch andere Menschen, bzw. deren Verhalten nicht zu mögen. Aus der Vermeidung des „Nicht-Mögens“ entsteht die Paradoxie, dass viele Menschen beispielsweise einen Amoklauf mögen. Vielleicht mögen sie aber gar nicht den Amoklauf, sondern die dazu gehörende Berichterstattung oder den Kommentar. Aber selbst wenn man das mag, wäre man dann nicht gut beraten seine Gefühle zu sortieren? In der digitalen Kommunikation wird eine Oberflächlichkeit der Gefühle provoziert, die mit wenigen Signalen, Emoticons und Shortkeys auskommen muss, um das Wesentliche, das Innere auszudrücken. Eine Variation besteht dann wenigstens im „Nicht – Liken“, also in der Wahrnehmung, die ohne Reaktion und Erwiderung bleibt. Der gelesene Beitrag geht dann unter im Nichts. Aus diesem Nichts wird das nur spärlich und stellenweise zum Ausdruck gebracht „Like“ dann fast schon zum einem Akt der Liebe, zur nachhaltigen gegenseitigen Gefälligkeit in virtuellen Gemeinschaften. Gäbe es jedoch die Chance des „Dislikens“ als eigenen Button, müsste man befürchten, dass er zu Hauf missbraucht würde. Viele könnten die Konfrontation mit „Dislikes“ vermutlich gar nicht aushalten. Es scheint, als müsse man den Menschen vor sich selbst beschützen. Seit der englische Philosoph im Jahr 1641 den Leviathan – (Das räuberische Tier als Symbol des starken Staates) entworfen hat, der die Menschen vor ihrer schlimmsten Gefahr, dem Menschen, beschützen soll, hat sich die Menschheit offenbar nur digital weiterentwickelt, weniger moralisch. Vielleicht könnte man das glauben, wenn nicht jemand die Idee gehabt hätte in Londoner East End sein „Digital Poem“ auf eine Matratze zu sprayen und zum Nachdenken an eine Mauer zu stellen. Zu „liken“ oder zu „disliken“ – virtuell oder im richtigen Leben, es zu zeigen oder nicht zu zeigen, wählerisch und überlegt zu handeln, die Folgen zu bedenken – das heisst Verantwortung wahrzunehmen. Für sich selbst und für Andere. Eigentlich ein echter Fortschritt.

Ice Bucket

Warum wir ein Problem nicht lösen, indem wir es mit Geld überhäufen

Kritisches Memo zur ICE BUCKET CHALLENGE

 

Einer meiner besten Freunde ist betroffen. Bis er mich im Frühjahr 2013 im Büro anrief und sagte: „Ich habe ALS“, wusste ich nicht, was das ist. Stephen Hawking gab dann das Stichwort. Noch neun Monate zuvor gingen wir regelmäßig wöchentlich joggen. Daran ist heute nicht mehr zu denken. Wenn wir heute etwas unternehmen, lade ich seinen Rollator in meinen Caddy, demnächst wird es wohl der Rollstuhl sein. In der Kneipe schneide ich dann das Schnitzel auf seinem Teller vor. Stephen Hawking hat die juvenile Form von ALS, die sehr langsam verläuft. Bei Erwachsenen ab 50 werden eher rasche und zügige Verläufe beobachtet. Der Körper verfällt, während der Geist glasklar bleibt. Wenn ich mir meine Krankheit aussuchen könnte, die mich irgendwann aus dem Leben führt, würde ich den einen oder andern Krebs bevorzugen. Das ist die grausame Realität von ALS.

Die ICE BUCKET CHALLENGE hat darauf aufmerksam gemacht. Es ist wichtig, dass hier weiter geforscht wird. Vielleicht hat man in zwei Jahren, in fünf Jahren, in 20 Jahren einen Durchbruch. Tatsache ist: Es gibt derzeit keinen in Aussicht stehenden Durchbruch in der Forschung.

Ich glaube daher, dass das Thema ALS nun in den letzten Wochen ausreichend bedient wurde und befürchte sogar Nebenwirkungen dieser medialen Kampagne: Es mag Menschen geben, die glauben, man könne einem ALS-Kranken helfen, indem man ihm 100 Dollar gibt. Ich würde jeden Cent geben, damit mein Freund wieder mit mir joggen kann. Aber ich weiss, dass jeder weitere Cent vergeblich ist.

Wir lösen also das Problem nicht, indem wir es mit Geld überhäufen.

An der ICE BUCKET CHALLENGE gefällt mir zudem nicht, dass das Spendenmotiv über eine öffentlich zur Schau gestellte Selbstinszenierung ausgelöst wird. Das ist Oberflächengestaltung ohne Tiefgang. Es ist eine Kampagne, die eine Eigendynamik entfaltet hat und von niemandem mehr gesteuert werden kann. Als Fundraiser gebe ich dem Spender die Gewissheit, dass seine Spende eine ganz bestimmte Wirkung und einen effektiven Beitrag zur Problemlösung in Not geratener Menschen haben wird. Es gibt mehr Problemangebote auf dieser Welt, als wir uns vorstellen mögen und derzeit gibt es die Gefahr, dass das Alles von der CHALLENGE übermantelt wird. Wenn sie also weitergeht, wäre es wünschenswert, dass sie sich wandelt. Die Herausgeforderten mögen sich informieren, wofür sie spenden möchten und den Spendenzweck auch mal ändern. Tatsächlich kann nicht alles der öffentlichen und staatlichen Fürsorge überlassen werden. Die Gesellschaft lebt vom Engagement und der Aufmerksamkeit ihrer Mitglieder. Unsere größte gemeinsame Herausforderung ist derzeit die von Kriegen ausgelöste Flüchtlingsproblematik und die Situation der Menschen, die ihre in Kriegszustände geratene Heimat nicht verlassen können.

Ich empfehle die Spendenportale der Diakonie, der Caritas, sowie aller anderen Wohlfahrtsverbände. Informiert Euch, wo und wie und für wen genau Spendenmittel eingesetzt werden. Auch in Eurer unmittelbaren Nachbarschaft gibt es zahlreiche kleine sinnvolle Projekte, die nicht die Power haben eine große Kampagne anzuzetteln. Mein Tip: Der Kinder- und Jugendhilfsfonds der Diakonie Pfalz hilft Kindern in der Pfalz – deutschen, ausländischen und Flüchtlingskindern.

Die erfolgreiche Haltung in der Konfliktbearbeitung

Erfolgreiche Haltungen in der Konfliktbearbeitung

Das Leben im Konflikt ist eine Suche nach Antworten. Nach Antworten für sich selbst und nach Antworten für das Gegenüber, den Kontrahenten. Eine solche Suche kann quälend oder verstörend sein. Man kann diese irritierenden Gefühle aber auch als Teil eines inneren Reifeprozesses verstehen. Es geht darum herauszufinden, wann die Suche beendet ist, wann die Antwort so gut ist, dass diese dem Kontrahenten präsentiert werden kann. Woran wollen Sie erkennen, dass Ihre Suche abgeschlossen und Ihre Antwort reif für eine Fortsetzung der Diskussion ist?

Möchten Sie sich vorstellen, dass das von Ihnen geplante Gespräch weder Sie noch Ihren Kontrahenten verletzen wird aber dennoch klare Aussagen enthält?

Wenn Sie sich am Ende Ihrer Suche nach einer passenden Antwort fühlen wie die Katze auf dem Bild, haben Sie möglicherweise eine günstige Haltung für eine erfolgreiche Konfliktbearbeitung eingenommen.

Selbstansteckung im Konflikt

Die Selbstansteckung im Konflikt

Konflikte führen ein Eigenleben. „Der hat einen Konflikt mit…“ ist eine Aussage, die wir oft und gerne verwenden, wenn wir als Außenstehende eine Konfliktkonstellation beobachten. Haben wir den Konflikt selbst, taumeln wir zwischen Entrüstung und Einsicht, Verzeihen und Nachstellen und oft genug müssten wir eigentlich die Frage stellen:

„Habe ich einen Konflikt oder hat der Konflikt bereits mich?“

Wenn ich einen Konflikt habe, mache ich mit diesem Konflikt, was ich will. Hat der Konflikt bereits mich, macht der er mit mir, was er will. Dann befinde ich mich an der Schwelle zur Selbstansteckung im Konfliktgeschehen oder habe sie vielleicht bereits überschritten. Ab diesem Punkt scheint die Verletzung des Gegners aussichtsreicher und genußvoller zu sein, als das eigene Nachgeben. Fritz Glasl spricht von der Phase 7 seines neunstufigen Eskalationsmodells: Begrenzte Vernichtungsschläge erscheinen als passende Antwort und ein relativ kleiner eigener Schaden wird immer noch als Gewinn betrachtet.

Für eine Lösung in diesem Stadium gibt es zwei Grundregeln:

  1. Man kommt nur schrittweise aus dem Konflikt heraus – nicht auf einmal! Morgen ist nicht alles wieder gut, aber etwas.
  2. Es geht nicht ohne fremde Hilfe, Vermittlung, Moderation, Mediation.

Lesetip: Glasl, Selbsthilfe in Konflikten

 

Werden diese MitarbeiterInnen gut geführt?

Der optimale Führungsstil…

Wie kommt es überhaupt dazu, dass man im Management über Führungsstile diskutiert? Die ersten Managementtheorien des 19. Jahrhunderts (die klassische Managementtheorie nach Fayol und anderen, sowie das wissenschaftliche Management nach Taylor) favorisierten ein Maschinenmodell der Organisation, worin die Störanfälligkeit des zur Arbeit unmotivierten Menschen eine der großen zu bewältigenden Herausforderungen darstellte. Das Hawthorne-Experiment der 1920er Jahre sollte Aufschluss darüber bringen, wie sich Licht auf die Produktivität von Arbeitern auswirkt. Ergebnis: Die Lichtmenge war nebensächlich, hingegen hatte das Interesse der Wissenschaftlicher an den Arbeitsbedingungen der Arbeiter einen erheblichen und positiven Einfluss auf deren Produktivität. Damit war eine große Erkenntnis und gleichzeitig ein großer Irrtum geboren. Die Erkenntnis: Die Berücksichtigung menschlicher Bedürfnisse hat offenbar einen großen Einfluss auf Produktivität. Die Wurzeln der Human-Relations-Bewegung der 1950er und 60er Jahre waren gelegt. Der Irrtum: Es ist nicht der menschliche Führungsstil, der die Produktivitätsbedingungen prägt. Es sind die Umweltbedingungen der Organisation, die ihrer Produktivität Bedingungen abverlangen, die zu Menschlichkeit (oder Unmenschlichkeit) führen. Das Wissen über diesen Irrtum ist nicht sehr weit verbreitet und hat insofern den Mainstream der Management-Diskussion nicht davon abhalten können, typische Führungsstile zu beschreiben und zu bewerten: Autorität, Laissez-Faire, Kooperativ, vielleicht auch situativ. Das ist interessant. Jedoch wird bis heute die Führungsstildiskussion in ihrer Bedeutung überschätzt. Sprenger wies 1991 darauf hin, dass Motivierung über extrinsische Motivation regelmäßig erodiert. Das entspräche dem Versagen von Führung überhaupt – sofern sie als Überredungskunst der Motivation verstanden wird.
Malik wendet sich in „Führen, Leisten, Leben“ (2000) gegen eine Psychologisierung und Therapeutisierung des Führens und Leitens. Er beschreibt den Begriff der wirksamen Führung, die dann entstünde, wenn jemand den Führungsstil pflege der authentisch zu seiner Person passe. Das dürfe dann auch ein autoritärer, nicht aber ein despotischer und machtbesessener Führungsstil sein.

Fröse schreibt 2009 in einem Essay, es sei heute in Auswertung der relevanten Managementliteratur eigentlich nach wie vor vollkommen unklar, welche Persönlichkeitseigenschaften von Führungspersönlichkeiten eine erfolgreiche Führung garantieren. Leider waren mitunter die größten Despoten erfolgreich, wohingegen viele menschenfreundliche Soft-Skills-Experten (un)spektakulär scheiterten. Auch Fröse resümiert: Es geht um authentisches und integeres Handeln in komplexen und widersprüchlichen Situationen, welches mühsam erworben werden muss (Leadership-Diskurse: Neue Herausforderungen für Führung und Leitung).
⇒ Den eigenen, optimalen Führungsstil entwickelt frau/man nicht aus sich selbst heraus, auch nicht durch das „Nachahmen“ bekannten Führungsverhaltens, sondern in professioneller Reflexion der eigenen Lernprozesse, die zum „Führen“ führen.