Sinn und Unsinn der Kriegsmetapher in Veränderungsprozessen
Am Rande einer Tagung über Veränderungsprozesse hörte ich aus dem Munde eines erfahrenen Vorstandsmitglieds eines Wohlfahrtsverbands dieses leidgeprüfte und schlichte Zitat über die Umstrukturierungen im eigenen Unternehmen: „Die Kriegskasse muss stimmen!“
Offensichtlich hält ein Veränderungsprozess viele kleine Scharmützel bereit, die mit Kriegsereignissen verglichen werden: Gutachten, Expertisen, Diskussionen, Dekrete, Abfindungen werden wie Attacken, Tretminen, Kesselschlachten, Attentate und Reparationen empfunden. Sobald die Kriegskasse geöffnet wird, endet das argumentative Aushandeln um Konzessionen und Widerstände, das Feilschen um Rationalität und Wahrhaftigkeit wird ausgesetzt, der Kampf um Veränderung wird mit Geld entschieden. Tatsächlich zählt die Annahme, dass Veränderung nichts kosten darf, zu den großen und dramatischen Irrtümern von Akteuren in Veränderungsprozessen.
Eine Kriegskasse ist eine Finesse.
Zur Finesse eines Veränderungsprozesses zählt sogar die vorübergehende Finanzierung von Redundanzen und Kapazitäten, die im Normalbetrieb eigentlich überflüssig werden. Das kann notwendig werden, um den Betrieb überhaupt bei laufendem Motor umbauen zu können. Also sollte die „Kriegskasse“ gut gefüllt sein. Bis hierhin wäre die Metapher noch nützlich. Die Kriegsmetapher beinhaltet aber auch die Eigenschaft, dass Mitglieder der Organisation zu Opfern werden könnten. Solche Veränderungen werden mit Gewalt gegen existenzielle Interessen durchgesetzt und vollzogen.
Selbst wenn die Kriegskasse stimmt, so stimmen die Ergebnisse des Krieges nicht.
Die Folgen des Krieges sind Schäden, die unheilbar sind. Und was noch heilbar sein mag, erweist sich als kaum bezahlbar. Das ist nicht das Strickmuster von Veränderungen, die nachhaltig erfolgreich sind. Diese setzen hingegen darauf bereits in einem frühen Stadium für den Nutzen von Veränderung einzutreten und möglichst viele Beteiligte zu Gewinnern zu machen. Schließlich sorgen einseitige Gewinne und einseitige Verluste schnell dafür, dass Konflikte neu aufflammen und dass in den Staub getreten wird, was in positiven Veränderungen bereits erreicht wurde. Diese Erkenntnis hat Erich Fried in einem Vierzeiler zusammengefasst. Er schrieb:
Ich bin der Sieg.
Mein Vater war der Krieg,
der Friede ist mein lieber Sohn,
der gleicht meinem Vater schon.